Erfolglose Klagen wegen vermeintlicher Impfschäden

Immer wieder versuchen vermeintlich Impfgeschädigte, Ansprüche wegen Schädigungen nach einer „Corona-Impfung“ gerichtlich durchzusetzen. Von zwei weiteren gescheiterten Versuchen aus jüngster Vergangenheit kann ich als Fachanwalt für Medizinrecht an dieser Stelle berichten:

Zunächst hatte das LG Düsseldorf über Klagen gegen Impfstoff-Hersteller zu entscheiden. Begehrt wurde in diesen Verfahren Schadensersatz sowie Schmerzensgeld wegen behaupteter gesundheitlicher Beschwerden nach Corona-Impfungen aufgrund fehlender hinreichender Darlegung einer negativen Nutzen-Risiko-Bilanz für den Impfstoff durch die Betroffenen. Die Klagen wurden von dem Gericht abgewiesen und dabei die ausreichende Hersteller-Information über das Produkt bestätigt.

Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) habe im Rahmen ihrer Prüfung eine positive Nutzen-Risiko-Bilanz für den Impfstoff festgestellt. Aus den wiederholten Zulassungen durch die EMA folge, dass die Hersteller-Angaben inhaltlich nicht zu beanstanden seien und deshalb auch keine Patientenansprüche bestehen können.

(Urteile des LG Düsseldorf vom 16.11.2023, Az. 3 O 141/22, 3 O 151/22, 3 O 60/23 und 3 O 164/22; das Urteil zum Az. 3 O 141/22 kann durch Anklicken hier nachgelesen werden)

Sodann musste eine weitere Klage wegen eines mutmaßlichen Schadens infolge einer SARS-CoV-2-Impfung von dem LG Rottweil entschieden und in dem konkreten Falle abgewiesen werden. In dem entschiedenen Fall hatte ein Mann geltend gemacht, infolge einer Corona-Impfung auf dem rechten Auge nahezu vollständig erblindet zu sein, und von dem Impfstoff-Hersteller Biontech Schmerzensgeld iHv € 150.000,00 verlangt. Das Gericht konnte jedoch weder feststellen, dass im zu entscheidenden Fall schädliche Nebenwirkungen insgesamt den Nutzen des Arzneimittels überstiegen, noch dass etwa in der Packungsbeilage nicht ausreichend auf die schädlichen Nebenwirkungen hingewiesen worden wäre.

(Auch dieses Urteil des LG Rottweil vom 06.12.2023 zum Az. 2 O 325/22 kann durch Anklicken hier vollständig gelesen werden)

Radiologe beschreibt Nebenbefund nicht – Gericht erkennt Behandlungsfehler

Eine Radiologin bzw. ein Radiologe, der bzw. dem eine Person mit der Befundbeschreibung „Kopfschmerzen“ zum MRT überwiesen wird, darf auch von einem sichtbaren Nebenbefund außerhalb des Gehirnschädels nicht die Augen verschließen. Ist sie/er aus medizinischer Sicht nicht selbst verpflichtet, diesen Zufallsbefund abzuklären, hat sie/er den Befund in den Arztbrief an die überweisende Behandlerin oder den überweisenden Behandler aufzunehmen. Unterbleibt diese Mitteilung, weil die Radiologin bzw. der Radiologe einen erkennbaren Nebenbefund übersieht, stellt dies einen Diagnosefehler dar.

Das hat jüngst das OLG Dresden entschieden. Danach können sich Radiologinnen und Radiologen, denen eine Patientin bzw. ein Patient mit einer bestimmten Fragestellung zur weiteren Untersuchung überwiesen wird, aufgrund der gegenüber den Patientinnen und Patienten obliegenden Fürsorgepflichten nicht auf den Auftragsumfang beschränken, sondern haben für die Auswertung eines Befundes alle Auffälligkeiten zur Kenntnis und zum Anlass für gebotene Maßnahmen zu nehmen, die sie aus berufsfachlicher Sicht unter Berücksichtigung der in dem betreffenden Fachbereich vorausgesetzten Kenntnisse und Fähigkeiten sowie der Behandlungssituation feststellen müssen.

Das bedeutet, was ich insoweit als Fachanwalt hervorheben darf: Sog. „Zufallsbefunde“ dürfen gegenüber der oder dem Überweisenden nicht unerwähnt bleiben und müssen klar und deutlich kommuniziert werden.

Das Oberlandesgericht hat in seinem Urteil insoweit zwar einen einfachen Diagnoseirrtum des Arztes angenommen, der Klage aber wegen fehlenden Kausalitätsnachweis den Schaden betreffend im Ergebnis ebenso wie das ersterkennende Gericht abgewiesen, konkret die Berufung des Patienten zurückgewiesen.

(Das gesamte, erst jetzt veröffentliche Urteil des OLG Dresden vom 10.10.2023 zum Az. 4 u 634/23 kann durch Anklicken hier nachgelesen werden).

Anspruch auf Erstattung von Kosten für eine Kinderwunschbehandlung durchgesetzt!

Eine gesetzlich versicherte Frau hat einen Anspruch aus § 13 Abs. 3 SGB V auf die Erstattung der Hälfte der bei ihr für eine Kinderwunschbehandlung angefallenen Kosten, auch wenn die private Krankenversicherung ihres Ehemanns bereits die Hälfte der angefallenen Kosten übernommen hat.

Das Gesetz trifft in § 27a SGB V keine Regelung dazu, ob und nach welchen Gesichtspunkten bei „gemischt versicherten“ Paaren ein Ausschluss, ein Ausgleich oder eine Kostenteilung der jeweiligen Ansprüche zwischen privater Krankenversicherung und gesetzlicher Krankenkasse stattfindet. Ehegatten, die unterschiedlichen Krankenversicherungssystemen angehören, steht bei sich überschneidenden Ansprüchen auf medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft gegen ihre gesetzliche und private Krankenversicherung ein Wahlrecht zu.

Die vollständige Erfüllung des Anspruchs gegen die private Krankenversicherung lässt auch den gleichgerichteten, sich inhaltlich überschneidenden Anspruch gegen die gesetzliche Krankenversicherung erlöschen. Von einer inhaltlichen Überschneidung der Ansprüche ist jedoch nur auszugehen, wenn anderenfalls eine Überkompensation einträte, weil sich Leistungen unterschiedlicher Krankenversicherungsträger hinsichtlich deckungsgleicher Ansprüche kumulieren.

Haben Eheleute aber gegen den privaten Krankenversicherer in Ausübung ihres Wahlrechts nur eine Kostenerstattung in Höhe der hälftigen Behandlungskosten beansprucht und erhalten, erlischt der Anspruch auf ebenfalls hälftige Kostenerstattung gegen die gesetzliche Krankenkasse nicht. Die Ansprüche gegen private Krankenversicherung und gesetzliche Krankenkasse sind dann nicht deckungsgleich, sondern ergänzen einander. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass der Anspruch gegen die Krankenkasse subsidiär gegenüber Ansprüchen des anderen Ehegatten in einem anderen Krankenversicherungssystem wäre.

Das hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 29.08.2023 zum Az. B 1 KR 13/22 R entschieden. Das Urteil ist noch nicht vollständig abgesetzt, weitere Einzelheiten können aber durch Anklicken hier der Terminsvorschau und dem Terminsbericht des Gerichtes entnommen werden.

Hohe Wellen durch BSG-Urteil zur Sozialversicherung von ‚Notärzten‘

Poolärzte, die in die Notdienstpläne der Kassenärztlichen Vereinigungen eingebunden sind, unterliegen der Sozialversicherungspflicht. Dies gilt besonders, wenn sie Räume und Personal der KV nutzen. Das hat das Bundesozialgericht (BSG) mit Urteil vom 24.10.2023 zum Az. B 12 R 9/21 R entschieden. Und zahlreiche ärztliche Notdienstpraxen jedenfalls in Baden-Württemberg haben bereits seit dem Folgetag nach Ankündigung der Kassenärztlichen Vereinigung geschlossen.

In dem vom BSG entschiedenen Fall klagte ein Zahnarzt, der nach Auffassung des Gerichtes in die Organisation des Notdienstes der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg eingegliedert gewesen ist und seine Leistungen auch nicht selbst abgerechnet hat.

Der Zahnarzt hatte 2017 seine Praxis verkauft und ist seitdem nicht mehr zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen gewesen. 2018 und 2019 beteiligte er sich aber noch am von der KZV organisierten Notdienst im Notdienstzentrum Heidelberg. Die Räume wurden durch die KZV angemieteten und durch diese auch mit Geräten, Material und Personal ausgestatteten. Dabei gab der Zahnarzt seine Bereitschaft zu bestimmten Schichten an, die KZV wies ihm dann einen Teil davon nach eigenem Ermessen zu. Die Vergütung lag je nach Schicht zwischen 34 und 50 Euro je Stunde.

Zerwürfnis nach Streit um einzelne Behandlungen

Nach einem Streit um einzelne Behandlungen kam es zum Zerwürfnis. Der Zahnarzt wurde nicht mehr zum Notdienst herangezogen. Vor diesem Hintergrund wollte er nun wissen, ob seine Notdienst-Schichten eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung waren. Daher leitete er ein sogenanntes Statusfeststellungsverfahren ein. Die Rentenversicherung entschied, dass kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis und damit auch keine Sozialversicherungspflicht bestanden.

Rentenversicherung und die beigeladene KZV Baden-Württemberg verwiesen auf eine Klausel des Sozialgesetzbuchs V, wonach der Sicherstellungsauftrag der KVen und KZVen auch den Notdienst umfasst. Auch dort tätige nicht oder nicht mehr zugelassene Ärzte und Zahnärzte nähmen danach an der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung teil. Anders als ein reguläres Arbeitsverhältnis sei daher das Verhältnis von KZV und Poolzahnärzten weitgehend durch öffentlich-rechtliche Normen geprägt.

Individuelle Umstände sind maßgeblich

Doch dies alles steht einer abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nicht entgegen, urteilte das BSG. Maßgeblich seien vielmehr „wie immer die individuellen Umstände des Einzelfalls“. Hier sei der Zahnarzt auf Notfallbehandlungen beschränkt gewesen. Zugewiesene Schichten habe er nicht mehr absagen, sondern nur noch tauschen können.

Er sei nach Stunden bezahlt worden und habe kein unternehmerisches Risiko getragen. „Das Verhältnis von Aufwand und Ertrag“ habe er nicht beeinflussen können. Räumlichkeiten, Personal, Geräte und Material seien von der KZV gestellt worden.

Abhängige Beschäftigung

Dies alles spreche für eine abhängige Beschäftigung, urteilte das BSG. Dem entgegenstehende Umstände, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen, seien nicht ersichtlich. Auch die Besonderheiten des Vertragsarztrechts würden keine andere Entscheidung begründen, so das Gericht.

Bei der Abgrenzung zwischen selbstständiger und abhängiger Tätigkeit geht es nach Auffassung des Gerichtes immer um die konkreten Umstände, „niemals abstrakt um einen ganzen Beruf. Fast jede Tätigkeit sei in abhängiger Beschäftigung oder selbstständig möglich. Hier habe die KZV Baden-Württemberg den Notdienst gestaltet, und das Urteil ergehe daher im Rahmen des von ihr gewählten Modells.

(Die Pressemitteilung des Gerichts kann hier nachgelesen werden)

Erzbistum muss Schadenersatz bei sexuellem Missbrauch durch Geistliche bezahlen!

Das Landgericht Köln hat in einem jetzt in einer juristischen Fachzeitschrift veröffentlichten Urteil vom 13.06.2023 das Erzbistum Köln u.a. zur Zahlung von Schmerzensgeld iHv € 300.000,00 an einen Mann verurteilt, der Anfang der 70er-Jahre über viele Jahre ua. sexuell von einem katholischen Pfarrer missbraucht wurde. Das Urteil ist rechtskräftig geworden.

Dem Urteil lag der Fall eines heute Anfang 60-jährigen Klägers zugrunde, der von 1972 – 1979 mind. 320 Mal von einem zwischenzeitlich verstorbenen ehemaligen Pfarrer in Diensten des Erzbistums Köln sexuell missbraucht wurde. Der Pfarrer hatte in den 70er-Jahren eine alte Dorfschule gekauft, damalige Messdiener und andere männliche Jugendliche halfen bei der Sanierung der Schule und wurden dort umfangreichst sexuell, psychisch u.a. missbraucht. Seit 1991 arbeitete der betroffene Kläger seine Jugenderlebnisse in einer langandauernden Psychoanalyse auf und zeigt den Pfarrer Ende der 90-er Jahre wegen der Missbräuche an. Er erhielt erstmals 2022 eine Entschädigung von zunächst € 5.000,00 durch die katholische Kirche, später dann infolge der Attestierung einer posttraumatischen Belastungsstörungen, einer Schwerbehinderung mit einem GdB von 50 und anderer Erkrankungen nochmals durch Beschluss der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) weitere € 20.000,00.

Der vom LG Köln jetzt entschiedenen Klage nahm der Kläger das Erzbistum auf die Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes mit der Argumentation einer Amtshaftung als quasi öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaft in Anspruch. Diese Klage hat das LG Köln im Juni mit dem oben genannten Betrag stattgegeben. Dabei hat das Gericht ausgeführt, dass ein Pfarrer als kirchlicher Beamter zunächst genauso zu beurteilen sei, wie ein staatlicher Beamter. Da die Missbrauchstaten in Ausübung des Amtes als Pfarrer geschehen sind, habe der Pfarrer gegen Amtspflichten iSd § 839 BGB verstoßen, was unbestreitbar auch vorsätzlich und schuldhaft erfolgt sei.

Ein Schmerzensgeld iHv € 300.000,00 war nach Auffassung des Gerichtes angemessen, da das Missbrauchsopfer in eine psychische Zwangslage gebracht wurde, der Missbrauch und die Vergewaltigungen über einen langen Zeitraum erfolgt sind und dies bei dem Kläger zu schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt hat.

Diese erste Entscheidung zur Haftung der katholischen Kirche für jahrezehntelange Verfehlungen ihrer Geistlichen wird weitreichende Folgen für die Amtshaftung der Kirchen, aber auch anderer öffentlich-rechtlich verfasster (sog. „korporierter“) Gesellschaften haben.

(LG Köln, 13.06.2023, Az. 5 O 197/22)

Neues zu Wahlarzt- bzw. Liquidationskette: Keine Rückforderungsansprüche der PKV

Niedergelassene bzw. in einem MVZ tätige Radiologinnen und Radiologen, die vertraglich in ständiger Kooperation mit einem Krankenhaus stehen, dürfen im Falle der Hinzuziehung durch die Chefärztin bzw. den Chefarzt im Rahmen wahlärztlicher Behandlung ihre Leistungen unmittelbar gegenüber Privatpatientinnen und -patienten nach der GOÄ abrechnen. Es handelt sich bei den radiologischen Untersuchungen mangels „Chefarzt-Standard“ nicht lediglich um allgemeine Krankenhausleistungen nach § 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 KHEntgG, die vom Krankenhausträger aus den Entgelten nach § 7 KHEntgG zu vergüten sind. Das hat jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 27.04.2023 bestätigt.

Allein das Bestehen einer (inhaltlich nicht bekannten) Kooperationsvereinbarung zwischen einem Krankenhaus und einer externen (tatsächlich und juristisch außerhalb des Krankenhauses tätig werdenden) Ärztin oder einem externen (tatsächlich und juristisch außerhalb des Krankenhauses tätig werdenden) Arzt hat im Hinblick auf die Qualifikation der extern erbrachten ärztlichen Leistung als (nicht gesondert vergütungspflichtige) allgemeine Krankenhausleistung oder ärztliche Wahlleistung keine Bedeutung. An der „Veranlassung einer Leistung“ durch eine Wahlärztin, einen Wahlarzt oder einer sonstigen liquidationsberechtigen Person im Sinne des § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG fehlt es nur dann, wenn diesen Personen nicht nur das „wo“ der zu erbringenden Leistung, sondern auch die Entscheidung, „ob“ eine solche Leistung überhaupt durchzuführen ist, durch die Kooperationsvereinbarung bzw. durch eine entsprechende Weisung des Krankenhauses vorgegeben wäre.

Entscheidend für die Qualifizierung einer ärztlichen Leistung als Wahlleistung ist, dass die mit besonderem Vertrauen ausgestattete primäre Wahlärztin oder der mit besonderem Vertrauen ausgestattete primäre Wahlarzt die Entscheidung über das „ob“ einer bestimmten, von Dritten durchzuführenden (hier diagnostischen) Maßnahme nicht nur von der fachärztlich gebotenen Vorgehensweise abhängig macht, sondern davon, ob diese erforderlich ist, die besonders qualifizierte und hochwertige ärztliche Leistung – wie aufgrund der Wahlarztvereinbarung geschuldet – zu erbringen. Es kommt damit nicht darauf an, ob die extern vorgenommene (Diagnostik-)Leistung lediglich durchschnittlich im Sinne des Facharztstandards ist oder selbst eine hochqualifizierte Leistung darstellt. Es kommt auch nicht darauf an, ob die externe Ärztin oder der externe Arzt das besondere Vertrauen der (primären) Wahlärztin bzw. des (primären) Wahlarztes genießt.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in einem entsprechenden Beschluss des OLG Bamberg vom 03.05.2022 wurde mit dem o.g. Beschluss des BGH vom 27.04.2023 zurückgewiesen. Die Entscheidung des OLG Bamberg kann durch Anklicken hier nachgelesen werden.

Immer wieder gut zu wissen: Hilfspflicht der Krankenkassen bei ärztlichen Behandlungsfehlern

Gem. § 66 SGB-V haben die gesetzlichen Krankenkassen ihre Versicherten bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen, die aus ärztlichen Behandlungsfehlern entstanden sind, unterstützen. Die Unterstützung der Krankenkassen kann dabei insbesondere die Prüfung der von den Versicherten vorgelegten Unterlagen auf Vollständigkeit und Plausibilität, die Anforderung weiterer Unterlagen bei den Leistungserbringern, die Veranlassung einer sozialmedizinischen Begutachtung durch den Medizinischen Dienst sowie eine abschließende Gesamtbewertung aller vorliegenden Unterlagen umfassen. 

Das LSG Niedersachsen hatte sich in einem Verfahren mit dem Umfang und den Grenzen der gesetzlichen Hilfspflicht der Krankenkassen gegenüber ihren Versicherten bei ärztlichen Behandlungsfehlern zu befassen.

Versicherter verklagte seine Krankenkasse

Ein Versicherter klagte gegen seine Krankenkasse auf Unterstützung bei seinem Vorgehen gegen einen von ihm vermuteten Behandlungsfehler. Nachdem bei dem Kläger stationär eine Phimose festgestellt worden war, wurde in einem Kreiskrankenhaus eine Zirkumzision (Beschneidung) durchgeführt. Im Nachhinein hielt der Kläger die Diagnose für falsch und die Beschneidung für nicht erforderlich.

Schwere Depression als Folge von Fehldiagnose und Fehlbehandlung

Nach Darstellung des Klägers war infolge eingetretener Impotenz, Ejakulationsstörungen sowie Schmerzen im Operationsbereich bei ihm eine schwere Depression entstanden. Seine Psychotherapeutin hatte insoweit die Diagnose „Anpassungsstörung nach Penisoperation mit konsekutiver Erektionsstörung“ gestellt. Der Kläger forderte einen erneuten operativen Eingriff zur Herstellung der Funktionsfähigkeit seines Geschlechtsteils sowie darüber hinaus ein angemessenes Schmerzensgeld.

Fehlbehandlung nicht nachweisbar

Die Krankenkasse des Klägers schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. Dieser erstellte unter Auswertung der medizinischen Unterlagen ein Gutachten. Dieses kam zu dem Ergebnis, dass eine Fehldiagnose sich nicht nachweisen lasse. Die vom Kläger beklagte Impotenz sowie die Ejakulationsstörungen seien keine Folge der Zirkumzision.

Krankenkasse lehnt weitere Unterstützungsleistungen ab

Die Krankenkasse erteilte dem Kläger darauf einen förmlichen Bescheid, dass ein Behandlungsfehler nicht anzunehmen sei und lehnte auch im anschließenden Widerspruchsverfahren die Einleitung einer weiteren vom Kläger geforderten Begutachtung sowie die Anhörung seiner Ehefrau als Zeugin ab. Die hierauf eingereichte Klage blieb über zwei Instanzen erfolglos.

Gesetzliche Verpflichtung der Krankenkasse zu Unterstützungsleistungen

Sowohl das SG als auch das LSG stützen ihre Entscheidung auf § 66 SGB V. Danach sollen die Krankenkassen ihre Versicherten bei Behandlungsfehlern durch geeignete Maßnahmen unterstützen. Das Wort „sollen“ lässt den Krankenkassen nach der Auslegung der Gerichte nur ein eingeschränktes Ermessen bei der Entscheidung über Unterstützungsleistungen. Danach sind die Krankenkassen grundsätzlich verpflichtet, ihre Versicherten zu unterstützen, sofern nicht im Einzelfall konkrete sachliche Gründe dagegen sprechen.

Die Hilfspflichten im Einzelnen

Inhaltlich zielt die Unterstützung nach der Auslegung des LSG darauf ab, dem Versicherten Leistungen zu gewähren, die ihm die Beweisführung für eine Rechtsverfolgung erleichtert. Hierzu gehören:

  • Informationen zu den vom Arzt gestellten Diagnosen,
  • fachliche Informationen zur Erforderlichkeit der angewandten Therapie,
  • Informationen über die im Krankenhaus im Einzelnen tätig gewordenen Behandler (Nennung der Namen),
  • die Anforderung ärztlicher Unterlagen (Röntgenaufnahmen u. ä.) sowie
  • gegebenenfalls die Veranlassung einer Begutachtung durch den MDK gemäß § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V.

Beklagte ist ihren Hilfspflichten angemessen nachgekommen

Nach Auffassung der Gerichte hatte die beklagte Krankenkasse im konkreten Fall sämtliche ihr nach § 66 SGB V auferlegten Unterstützungspflichten gegenüber dem Kläger erbracht. Mit der Einholung eines Gutachtens des MDK habe sie die Unterstützung ordnungsgemäß abgeschlossen. Zu einem weiteren initiativen Recherchieren zugunsten des Versicherten sei die Krankenkasse nach § 66 SGB V nicht verpflichtet.

Grenzen der Hilfspflicht

Das LSG wies besonders darauf hin, dass die gerichtliche Prüfung der von der Beklagten getätigten Unterstützungsleistungen eine reine Rechtskontrolle beinhaltet und keine Überprüfung der medizinischen Richtigkeit des vom MDK erstellten Gutachtens. Das Gesetz gewähre Versicherten keinen Anspruch auf Nachforschung und weitere Überprüfungen solange, bis sie mit dem Ergebnis einverstanden sind. Auch zur Anhörung von Zeugen sei die Krankenkasse nicht verpflichtet.

Klage und Berufung erfolglos

Im Ergebnis bestätigte das LSG die klageabweisende Entscheidung der Vorinstanz und wies die vom Kläger eingelegte Berufung zurück.

(Der Beschluss des LSG Niedersachsen vom 25.05.2023 zum Az. L 16 KR 432/22 kann hier nachgelesen werden)

BGH: Patient darf nach Auf­klärung ohne Bedenk­zeit einer Behand­lung zustimmen

In einem jetzt veröffentlichen Urteil vom 20.12.2022 hat der Bundesgerichtshof Neues zur Frage der Rechtzeitigkeit einer Aufklärung über eine medizinische Behandlung verkündigt: Danach gibt es zwischen der ärztlichen Aufklärung vor einer medizinischen Behandlung und der vom Patienten erteilten Einwilligung keine zwingend einzuhaltende Bedenkzeit, der Patient entscheide sich selber für den konkreten Einwilligungszeitpunkt.

Damit wurden die Vorgaben zu den zeitlichen Maßstäben konkretisiert, die von der ärztlichen Aufklärung bis zur Entscheidung über die Erteilung oder Versagung der Einwilligung durch den Patienten gelten. Bislang galt unter Medizinjuristen der Grundsatz, dass jedenfalls vor stationären Operationen die Aufklärung am Vortrag des Eingriffs erfolgen müsse.

Nunmehr soll gelten, dass keine zwingende Bedenkzeit eingehalten werden muss, so das Karlsruher Gericht. Ein Patient könne auch sofort nach der erfolgten Aufklärung durch den Arzt oder die Ärztin entscheiden, eine Behandlung vornehmen zu lassen. Dies stehe im Einklang mit der gesetzlichen Vorschrift in § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB zu den Aufklärungspflichten für Behandelnde.

Die ärztliche Aufklärung und die danach erteilte Einwilligung des Patienten sind rechtliche Voraussetzung einer jeden medizinischen Behandlung (sogenannter informed consent). Die Grundsätze hierzu finden sich in § 630d und § 630e BGB. Gemäß § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB muss die Aufklärung über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann.

OLG: Kläger hatte zu wenig Bedenkzeit

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall einer Ohren- und Nasenoperation hatte der klagende Patient ein Klinikum wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung und unzureichender Aufklärung auf Zahlung von Schadensersatz verklagt. Er war zuvor von einer Ärztin über die Risiken des beabsichtigten Eingriffs aufgeklärt worden und hatte direkt im Anschluss an das Aufklärungsgespräch das Formular zur Einwilligung in den ärztlichen Eingriff unterzeichnet.

Das Landgericht wies die Klage ab. Das Oberlandesgericht (OLG) entschied in der Berufung zugunsten des klagenden Mannes unter anderem mit der Begründung, dem Patienten sei keine Bedenkzeit zwischen der Aufklärung über die Risiken des Eingriffs und der Entscheidung über die Einwilligung eingeräumt worden. Von einer wohlüberlegten Entscheidung im Sinne des § 630e Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB könne somit nicht die Rede sein.

BGH: Behandlungszeitpunkt ist „Sache des Patienten“

Der BGH entschied indes, dass die Aufklärung und Einwilligung in diesem Fall insgesamt ordnungsgemäß erfolgten, also auch mit ausreichend Bedenkzeit. Das OLG überspanne nämlich den Wortlaut des § 630e Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB und stelle überzogene Anforderungen an die Pflichten zur Einholung einer Einwilligung des Patienten. Der Patient müsse vor dem beabsichtigten Eingriff stattdessen nur so rechtzeitig aufgeklärt werden, dass er durch hinreichende Abwägung der für und gegen den Eingriff sprechenden Gründe seine Entscheidungsfreiheit und damit sein Selbstbestimmungsrecht in angemessener Weise wahrnehmen kann.

Diese Entscheidung entspricht der bisherigen Rechtsprechung, der BGH äußert sich nun aber genauer. Sein Urteil konkretisiert nämlich, dass kein fester Zeitraum oder gar eine „Sperrfrist“ zwischen Aufklärung durch den Arzt und Einwilligung durch den Patienten liegen muss. Der Zeitpunkt der Entscheidung sei schlicht „Sache des Patienten“. Sehe er sich bereits nach dem Aufklärungsgespräch zu einer wohlüberlegten Entscheidung in der Lage, sei es sein gutes Recht, die Einwilligung sofort zu erteilen. Wünscht er dagegen noch eine Bedenkzeit, so könne er von der Erteilung einer – etwa im Anschluss an das Gespräch ärztlicherseits erbetenen – Einwilligung zunächst absehen, so der BGH.

Ausnahme für medizinisch dringende Maßnahmen

Eine Ausnahme vom Grundsatz sieht der BGH aber auch: Ist in anders gelagerten Fällen für den Arzt oder die Ärztin klar erkennbar, dass der Patient noch Zeit benötigt, muss dies berücksichtigt werden. Der Patient dürfe nämlich nicht zu einer Entscheidung gedrängt oder „überfahren“ werden. Ausgenommen von diesen Grundsätzen seien weiterhin medizinisch dringende Maßnahmen, schloss das Karlsruher Gericht.

Der Fall gelangt nun wieder zurück zum Berufungsgericht, das sich nun noch mit der Frage des Vorliegens eines Behandlungsfehlers beschäftigen muss. Damit hatte es sich bisher nicht befasst.

Das vollständige Urteil des BGH vom 20.12.2022 zum Az. VI ZR 375/21 kann hier nachgelesen werden.

Endlich: Sexuelle Orientierung darf bei Blutspende keine Rolle mehr spielen!

Es wird auch zeitlich: Endlich sollen Gesetz und Richtlinien so geändert werden, dass vor allem schwulen Männern keine Nachteile im Bereich der Transfusionsmedizin mehr entstehen.

In einem Beitrag der „Ärztezeitung“ vom 10.01.2023 heißt es:

„Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will Diskriminierung von homosexuellen Männern bei der Blutspende beenden. Das geht aus einem Änderungsantrag zum Transfusionsgesetz hervor, über den das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtet. ‚Die sexuelle Orientierung und die Geschlechtsidentität dürfen keine Ausschluss- oder Rückstellungskriterien sein‘, heißt es darin.

Mit der geplanten Gesetzesänderung wird die Bundesärztekammer verpflichtet, ihre Blutspende-Richtlinien innerhalb von vier Monaten entsprechend anzupassen. „Ob jemand Blutspender werden kann, ist eine Frage von Risikoverhalten, nicht von sexueller Orientierung. Versteckte Diskriminierung darf es auch bei diesem Thema nicht geben“, sagte Lauterbach. „Die Bundesärztekammer muss endlich nachvollziehen, was im gesellschaftlichen Leben längst Konsens ist.“

Nach der derzeit gültigen Richtlinie der Bundesärztekammer dürfen Männer, die Sex mit Männern haben, nur dann Blut spenden, wenn sie in den zurückliegenden vier Monaten keinen Sexualverkehr mit ‚einem neuen oder mehr als einem Sexualpartner‘ hatten. Bei allen anderen Personen besteht die viermonatige Sperre dagegen nur bei ‚häufig wechselnden Partnerinnen und Partnern‘.

Die Richtlinie war zuletzt 2021 zwar leicht entschärft worden; die Deutsche Aidshilfe und andere Verbände sprachen aber weiterhin von einer Diskriminierung von Schwulen. Im Koalitionsvertrag einigten sich die Ampel-Parteien schließlich darauf, für eine Gleichbehandlung zu sorgen.

Nach dem Entwurf des Änderungsantrags wird nunmehr vorgeschrieben, dass das sexuelle Risiko, das zu einem Ausschluss oder einer Rückstellung von der Spende führt, nur auf „Grundlage des individuellen Verhaltens der spendewilligen Person“ ermittelt werden darf. „Gruppenbezogene Ausschluss- oder Rückstellungstatbestände sind insoweit nicht mehr zulässig“, heißt es in der Begründung. Zudem dürften die sexuelle Orientierung und die Geschlechtsidentität spendewilliger Personen als solche keine Ausschluss- oder Rückstellungskriterien sein.

Seit der Aids-Krise in den 80er Jahren war es Männern, die Sex mit Männern haben, zunächst verboten, Blut zu spenden. Das Spendeverbot wurde damit begründet, dass das Sexualverhalten der genannten Personen ‚ein Risiko für den Empfänger von Blutprodukten‘ mit sich bringen könne.“

Die aktuell noch geltende „Richtlinie zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Richtlinie Hämotherapie)“ können Sie auf der Homepage der Bundesärztekammer einsehen und durch Klicken hier ansteuern.

Alles Gute zum neuen Jahr 2023!

Das Team von MELCHER MORAT Rechtsanwälten wünscht Ihnen für das neue Jahr nur das Beste und dieser Welt Frieden, Gerechtigkeit und sozialen Ausgleich.

Zur Einstimmung informieren wir Sie hier über einige der relevantesten Rechts- u.a. Änderungen, die ab diesem neuen Jahr gelten. Weitere Informationen erhalten Sie selbstverständlich bei uns direkt.

Abfahrt für das 49-Euro-Ticket

Das 9-Euro-Ticke bekommt einen Nachfolger: Bund und Länder haben sich auf ein „Deutschland-Ticket“ geeinigt. Mit 49 Euro ist es kein ganz so großes Schnäppchen wie sein Vorgänger, aber es soll ebenfalls in allen Nahverkehrsverbünden gelten. Wann es genau startet, ist noch unklar. Als wahrscheinlicher Termin gilt der 1. April oder der 1. Mai 2023.

Höherer Grundfreibetrag

Der Grundfreibetrag ist mit dem Jahresbeginn um 561 Euro auf 10.908 Euro gestiegen. Diese Änderung soll sicherstellen, dass das Existenzminimum nicht besteuert wird. Um die kalte Progression zu mindern, also einer schleichenden Steuererhöhung infolge von Lohnsteigerungen und Inflation, greift der Spitzensteuersatz von 42 Prozent künftig erst bei 62.810 Euro. Zuvor waren es 58.597 Euro.

Das Wohngeld Plus kommt

Neben dem 49-Euro-Ticket gibt es auch eine Wohngeldreform. Künftig sollen mehr als doppelt soviel Haushalte als bislang die nun „Wohngeld Plus“ genannte Leistung bekommen, sie steigt nach Angaben der Regierung von durchschnittlich rund 180 Euro pro Monat (ohne Reform) auf rund 370 Euro.

Die Wohngeldämter rechnen mit 1,5 Millionen Anträgen, doch die Technik in den Behörden macht das nicht mit. Die Software für die Online-Beantragung könnte in einigen Bundesländern erst im Frühjahr fertig werden, zu wenig Personal gibt es sowieso.

Höhere Beitrage bei Arbeitslosen- und Krankenversicherung

Zuerst die schlechte Nachricht: Die Sozialbeiträge steigen insbesondere für Gutverdiener kräftig an. Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung klettert von 2,4 auf 2,6 Prozent des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts, der Zusatzbeitrag zur Krankenversicherung von durchschnittlich 1,3 auf 1,6 Prozent. Auch die Pflegeversicherung könnte im Laufe des Jahres 2023 teurer werden.

Home-Office-Pauschale für alle

Und jetzt die gute Nachricht: Die Arbeit zuhause wird weiter gefördert, die steuerlichen Regeln für Arbeitszimmer gelockert. Die Home-Office-Pauschale, eigentlich eine Erfindung der Pandemiejahre, wird nun verstetigt und erhöht. Statt wie bislang 5 Euro pro Arbeitstag (bei maximal 120 Arbeitstagen im Jahr) soll es sie 2023 für insgesamt 210 Tage geben. Zudem steigt der Tagessatz auf 6 Euro für alle, die am Küchentisch, im Heizungskeller oder wo auch immer arbeiten. Das steht im neuen Jahressteuergesetz.

Wer die maximal möglichen Home-Office-Tage ansetzt, darf sich also über 1260 Euro Home-Office-Pauschale freuen. Allerdings muss sie weiterhin mit der Werbungskostenpauschale verrechnet werden, die von 1.200 Euro auf 1.230 Euro angehoben werden soll.

Einfacher soll es für die werden, die ein richtiges häusliches Arbeitszimmer haben. Im  Jahressteuergesetz wird dessen Besteuerung der Home-Office-Pauschale angeglichen. Bildet das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der betrieblichen und beruflichen Tätigkeit, können Arbeitnehmer zwischen einer Jahrespauschale von 1.260 Euro oder dem Abzug der tatsächlichen Aufwendungen in voller Höhe wählen.

Bildet das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der beruflichen Betätigung, steht aber dauerhaft kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, können Betroffene anstelle der Jahrespauschale die Homeoffice-Pauschale von 6 Euro pro Tag geltend machen – wieder bis maximal 1.260 Euro.

Rechengrößen in der Sozialversicherung

Die Beitragsbemessungs- und Versicherungspflichtgrenzen verschieben sich – wie zu jedem Jahreswechsel – nach oben. Die Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenkasse steigt monatlich um 150 Euro auf 4987,50 brutto (59.850 Euro brutto im Jahr). Die Krankenkassenbeiträge berechnen sich bis zu diesem Betrag; wer mehr verdient, muss davon nichts mehr an die Krankenkasse abgeben. Die Versicherungspflichtgrenze, ab der Angestellte in die private Krankenkasse wechseln können, verschiebt sich von 64.350 Euro auf 66.600 Euro brutto jährlich.

Die Beitragsbemessungsgrenze in der Arbeitslosen- und Rentenversicherung steigt auf 7.300 Euro monatlich (bislang 7.050 Euro) im Westen und 7.100 Euro (bislang 6.750 Euro) monatlich im Osten.

Zuschlag bei Kinderzuschlag und Kindergeld

Auch für Familien steckt etwas im Entlastungspaket III: Das Kindergeld wurde zum 1. Januar 2023 kräftig um 31 Euro auf 250 Euro für jedes der ersten drei Kinder erhöht. Für eine Familie mit zwei Kindern bedeute das eine jährliche Entlastung um 744 Euro, rechnet die Bundesregierung vor. Auch der Kinderzuschlag für Alleinerziehende und Familien mit niedrigem Haushaltseinkommen steigt auf maximal 250 Euro.

Unbegrenzt hinzuverdienen

Der Arbeitsmarkt braucht jede und jeden – und deshalb fallen jetzt die nächsten Hinzuverdienstgrenzen für Rentner. Menschen in der Regelaltersrente dürfen schon 2017 unbegrenzt dazuverdienen, seit dem 1. Januar 2023 gilt dies nun auch für Frührentner. Gehen sie weiter arbeiten, wird das Einkommen nicht mehr auf die Frührente angerechnet. 2022 galt für ihren anrechnungsfreien Hinzuverdienst noch eine Höchstgrenze von bis zu 46.060 Euro jährlich.

Auch die Hinzuverdienstgrenzen für Menschen mit Erwerbungsminderungsrente (EM-Rente) werden großzügig ausgeweitet: Mit voller EM-Rente dürfen bis zu 17.823,75 Euro jährlich anrechnungsfrei hinzuverdient, aber nicht mehr als drei Stunden täglich gearbeitet werden. Bei Menschen mit teilweiser Erwerbsminderungsrente liegt die Grenze bei 35.647,50 Euro jährlich und maximal 6 Stunden Arbeit täglich.

Der Sozialverband VdK kritisiert, dass von dieser Gesetzesänderung nur die profitieren, die ohnehin schon eine gute Rente beziehen. Einkommensschwache ältere Arbeitnehmer könnten es sich gar nicht leisten, früher in Rente zu gehen, weil die Abschläge zu hoch seien.

Mehr Rente mit Angleichung zwischen Ost und West

Vor zwei Jahren fiel die Rentenerhöhung aus, 2022 gab es einen kräftigen Zuschlag – und so geht es auch 2023 weiter: Die Renten sollen zum 1. Juli um 3,5 Prozent (alte Länder) und 4,2 Prozent (neue Länder) steigen. Auch die Rentenangleichung zwischen Ost und West kommt voran: So soll zum Juli 2023 der Rentenwert in den neuen Bundesländern bei 99,3 Prozent des Westwerts liegen, bevor dann am 1. Juli 2024 dasselbe Niveau erreicht ist.

Der Rentenbrief wird digital

Alle Versicherten kennen den Brief, den die Deutsche Rentenversicherung an alle ab 27 Jahren einmal im Jahr verschickt. Sein Inhalt: Angaben über die zu erwartende Rente und deren Höhe. 2018 entdeckte die schwarz-rote Bundesregierung, dass diese Art der Information vielleicht nicht mehr ganz zeitgemäß ist, und brachte ein Rentenportal auf den Weg.

2023, also fünf Jahre später, soll die „Digitale Rentenübersicht“ in den Testbetrieb gehen. Interessierte Bürger sollen das Portal ab Sommer probeweise nutzen dürfen, bevor der Regelbetrieb dann 2024 beginnen soll.

Kostenbremsen bei den Gas-, Fernwärme- und Strompreisen

Die Gas- und Strompreisbremsen gelten nicht gerade als Musterbeispiel für eine gelungene Gesetzmechanik: zu kompliziert, zu bürokratisch, zu spät, kaum umsetzbar und irre teuer, lautet die Kritik. Aber es hilft ja nichts: Der Winter ist gekommen, und da muss Deutschland jetzt durch. So will die Bundesregierung Gas- und Fernwärmekunden bereits im Dezember eine Soforthilfe in Höhe eines Monatsabschlags zahlen. Zusätzlich soll ab 2023 eine Strom- und Gaspreisbremse geben, die bis April 2024 wirken soll.

Geplant ist, dass private Haushalte  für 80 Prozent des für 2023 prognostizierten Gas- und Stromverbrauchs einen gedeckelten Preis zahlen. Bei Gas liegt dieser bei 12 Cent pro Kilowattstunde (kWh), für Fernwärme bei 9,5 Cent/kWh, für Strom gilt ein Preisdeckel bei 40 Cent pro kWh. Über die 80-Prozent-Marke hinaus soll der Marktpreis fällig werden.

Kunden müssen nichts weiter tun, die Versorger sollen die Entlastung berechnen und die reduzierten Abschläge automatisch in Rechnung stellen. Damit die Anbieter mehr Zeit haben, sollen die Entlastungbeträge für Januar und Februar erst im März ausgezahlt werden. Mieterinnen und Mieter werden von den Preisbremsen in der Regel erst bei der Betriebskostenabrechnung profitieren.

Neues Tierwohllabel für Schweinefleisch

Wer gern in Schwein beißt, soll jetzt erfahren können, wie das Tier zuvor gelebt hat. Wurde es hierzulande gehalten und verkauft, muss das Fleisch mit der Haltungskategorie gekennzeichnet werden. Davon gibt es künftig fünf:

  • Stall (Haltung nach Mindestanforderungen),
  • Stall+Platz (20 Prozent mehr Bodenfläche),
  • Frischluftstall (Ställe haben noch mehr Platz und sind nach mindestens einer Seite offen),
  • Auslauf/Freiland (mindestens 8 Stunden Auslauf am Tag) und
  • Bio (noch größere Auslauffläche, noch mehr Platz im Stall).

Weil das Gesetz zunächst nur für Schweine gelten soll, kritisiert der Deutsche Tierschutzbund es als „großspurige Irreführung“. Wichtige Themen wie Transport und Schlachtung der Tiere würden gar nicht erfasst.

Das Recht auf Reparatur kommt

Smartphones und Tablets sollen künftig leichter zu reparieren sein: Niemand soll mehr sein Handy wegwerfen müssen, weil der Akku nicht austauschbar ist. Mit der Ökodesign-Verordnung will die EU-Kommission die Hersteller verpflichten, bestimmte Ersatzteile und Reparaturinformationen vorzuhalten und Software-Updates zu gewährleisten – und das für bis zu sieben Jahre. Mit dem „Recht auf Reparatur“ wären die Geräte langlebiger – und letztlich nachhaltiger.

Die Ökodesign-Verordnung soll laut Bundeswirtschaftsministerium 2023 in Kraft treten und nach einer 21-monatigen-Übergangsfrist für alle in der EU verkauften Geräte gelten.

Mehr Abzugsmöglichkeiten für Sparer

Zum ersten Mal seit seiner Einführung 2009 steigt der Sparerpauschbetrag, seit Anfang 2023 liegt er bei 1000 Euro für Singles (2000 Euro für Verheiratete). Zuvor waren es jahrelang 801 Euro (1602 Euro für Eheleute). Bis in diese Höhe sind etwa Zinseinnahmen oder Aktiendividenden steuerfrei. Ein weitergehender Abzug von Werbungskosten zum Beispiel für Beratung und Vermögensverwaltung ist ausgeschlossen.

Mehr Heimschläfer nach Operationen

Kliniken sollen mehr Geld bekommen, so will es die Bundesregierung mit dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz. Das werden Patientinnen und Patientin durchaus positiv zu spüren bekommen: So müssen sie für viele Eingriffe nicht mehr in der Klinik übernachten. Die Krankenhäuser dürfen künftig ambulante Eingriffe, bei denen die Behandelten nur tagsüber im Krankenhaus sind, mit attraktiven Vergütungssätzen abrechnen. Der Heimschläfer-Ansatz soll das Pflegepersonal entlasten.

Mehr Geld, etwa 380 Millionen Euro in den kommenden zwei Jahren, gibt es außerdem für Kinderkrankenhäuser und die Geburtshilfe.

Mehrweg-Pflicht in der Gastronomie

Mit Kräutersoße oder Knoblauch? Wer ein Essen to-go ordert, wird künftig nicht nur gefragt werden, welches Topping auf den Dönerteller soll – Kunden müssen seit Januar 2023 auch zwingend darauf hingewiesen werden, dass sie die Speisen und Getränke in Mehrwegbehältern erhalten können. Die wiederverwendbaren Behältnisse dürfen nicht mehr kosten als ihre Einweggeschwister, allerdings, so schreibt das Umweltbundesamt, „bleibt die Erhebung eines angemessenen Pfandes auf die Mehrwegverpackungen möglich“.

Die Pflicht, auch Mehrwegbehältnisse anzubieten, trifft Restaurants, Bäckereien, Bistros und Cafés, aber Tankstellen und Kantinen. Kunden müssen laut § 33 Absatz 2 Verpackungsgesetz mit „deutlich sicht- und lesbaren Informationstafeln oder -schildern“ auf die Mehrwegmöglichkeit hingewiesen werden, entsprechendes gilt für Onlinebestellungen.

Ausgenommen sind lediglich sehr kleine Geschäfte wie Imbisse, Spätis oder Kioske, in denen maximal fünf Beschäftigte arbeiten und die nicht mehr als 80 Quadratmeter Ladenfläche haben. Verkaufsstellen von Filialketten gelten nicht als kleine Geschäfte, weil im gesamten Unternehmen mehr als fünf Angestellte tätig sind.

Weniger Geld für E-Autos

Bislang gab der Staat eine beachtliche Menge Geld dazu, wenn sich seine Bürger ein Elektroauto zulegten. 6000 Euro waren es bei einem Nettolistenpreis von bis zu 40.000 Euro. Doch mit dem Jahresbeginn hat die Bundesregierung den „Umweltbonus“ zusammengestrichen. Nach den neuen Förderrichtlinien gibt es für E-Autos

  • mit einem Nettolistenpreis bis zu 40.000 Euro statt 6000 Euro nur noch 4.500 Euro,
  • mit einem Nettolistenpreis zwischen 40.000 Euro und bis zu 65.000 Euro statt 5.000 nur noch 3.000 Euro.

Plug-In-Hybride fallen ganz aus der Förderung, weil das Bundeswirtschaftsministerium nur noch Autos mitfinanzieren will, die „nachweislich einen positiven Klimaschutzeffekt haben“. Die neuen Regeln gelten für Anträge, die ab dem 1. Januar 2023 gestellt werden.

Unternehmen sind bis zum 31. August 2023 antragsberechtigt, danach erhalten nur noch Privatleute die Förderung. Derzeit wird noch diskutiert, ob auch Kleingewerbetreibende über den September hinaus vom Umweltbonus profitieren sollen. 2024 gehen die Fördersätze weiter runter.

Energiepreisbremse für Betriebe

Nicht nur für Verbraucher, auch für kleine und mittelgroße Unternehmen wird es eine Energiepreisbremse geben – unter ganz ähnlichen Bedingungen wie für privaten Kunden. So sollen Betriebe mit einem Gasverbrauch von weniger als 1500 Megawattstunden einen gedeckelten Preis von 12 Cent pro Kilowattstunde (kWh) zahlen, für Fernwärme liegt dieser bei 9,5 Cent/kWh.

Wie bei Privatkunden gilt die Preisbremse für 80 Prozent des für 2023 prognostizierten Gas- und Fernwärmeverbrauchs, darüber hinaus greift der Marktpreis. Das soll zum Energiesparen anregen.

Der Strompreis wird für kleine Unternehmen ebenso wie für Verbraucher bei 40 Cent pro Kilowattstunde gedeckelt. Ebenso wie bei der Gaspreisbremse sind die Hilfen auf 80 Prozent des historischen Verbrauchs limitiert – in der Regel gemessen am Vorjahr. Für große Industrieunternehmen mit mehr als 30.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch liegt der Deckel bei 13 Cent (Netto-Arbeitspreis) für 70 Prozent des historischen Verbrauchs, danach greift der Marktpreis.

Die Energiepreisbremse soll erst ab März 2023 starten und dann rückwirkend auch für Januar und Februar ausgezahlt werden. Für große industrielle Gasverbraucher soll die Auszahlung bereits im Januar beginnen.

Energieintensive Unternehmen, die trotz der Preisbremsen vor dem Ruin stehen, sollen mit einer „Härtefallhilfe“ unterstützt werden. Das gilt für etwa Betriebe, die mit Öl oder Holzpellets heizen oder deren Energiepreise sich schon im Sommer 2022 vervielfacht haben. Dafür stellt der Bund 1 Milliarde Euro zur Verfügung, die Länder regeln die Details.

Mehr Sorgfalt in der Lieferkette

Ab 2023 sind große Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen ihrer Lieferanten im Ausland verantwortlich. Das vollständigerweise „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ genannte Regelwerk verpflichtet Betriebe mit mindestens 3000 Beschäftigten, Vorkehrungen zu treffen, mit denen sie Rechtsverletzungen bei ihren Zulieferern verhindern können.

Das Gesetz verlangt, dass Unternehmen einen unternehmerisch sorgfältigen Prozess schaffen müssen, der bei einem Risikomanagement beginnt, Schulungen oder Zertifizierungen umfasst und ein Beschwerdesystem vorsieht, falls ein Zulieferer die Menschenrechte verletzt.

Nachweisen müssen die Unternehmern also vor allem, dass sie sich bemüht haben, also zum Beispiel mit den Lieferanten gesprochen oder die Risiken dokumentiert haben. Dass sie die Menschenrechtsverletzungen in jedem Fall beseitigen, ist aber nicht Teil des Pflichtenheftes. Verlangt werden nur Maßnahmen, die machbar und „angemessen“ sind. Je mehr Einfluss das Unternehmen hat, desto mehr Anstrengungen können auch von ihm erwartet werden. Ab 2024 müssen auch Firmen ab 1000 Mitarbeitern das Lieferkettengesetz beachten.

Der digitale gelbe Zettel kommt – jetzt wirklich

Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) war so etwas wie ein Albtraumprojekt für die Gesundheitsverwaltung und musste mehr als einmal verschoben werden. Nun lichtet sich das Digitalisierungschaos, und die eAU wird zur Pflicht für Unternehmen. Das bedeutet konkret: Seit Januar müssen Beschäftigte keinen „Gelben Schein“ mit ihrer Krankschreibung mehr an den Betrieb schicken.

Ihrem Arbeitgeber müssen sie aber sehr wohl noch mitteilen, dass sie arbeitsunfähig sind und wie lange das voraussichtlich so bleiben wird. Der Betrieb wartet dann allerdings nicht mehr auf den gelben Zettel, sondern ruft die Krankheitsdaten bei der Krankenversicherung des Arbeitnehmers elektronisch ab.

Azubis bekommen mehr

Die Mindestausbildungsvergütung steigt von 585 Euro auf 620 Euro für Ausbildungen, die 2023 begonnen werden – das ist das Minimum, das nicht-tarifgebundene Arbeitgeber Lehrlingen zahlen müssen. Im 2. Lehrjahr steigt die Mindestvergütung um 18 Prozent und im 3. Lehrjahr um 35 Prozent (gegenüber dem 1. Ausbildungsjahr).

Eine Nummer für jeden Betrieb

Unternehmen, die bei einer Berufsgenossenschaft und der Unfallkasse Mitglied sind, erhalten zum 1. Januar eine Unternehmensnummer. Diese ist bundeseinheitlich und ersetzt die alten Mitgliedsnummern, die nur für den jeweiligen Träger galten. Zusammen mit der neuen 15-stelligen Nummer übermitteln die Firmen die Jahresdaten für die Unfallversicherungen und die Lohnnachweise digital.

Neue Verdienstgrenze bei Midijobs

Änderungen gibt es auch für Midijobber: Sie dürfen im neuen Jahr nun bis zu 2.000 Euro verdienen, ohne dass sie die vollen Sozialversicherungsbeiträge zahlen müssen. Die Verdienstgrenze war erst vor kurzem, im Oktober 2022, auf 1.600 Euro erhöht worden, jetzt steigt sie abermals. Durch die neuerliche Anhebung könnten einige Teilzeitkräfte plötzlich zu Midijobbern werden.

Meldestelle für Whistleblower

Seit 1. Januar müssen Unternehmen ab 250 Mitarbeitern sowie Finanzdienstleister unabhängig von der Mitarbeiterzahl eine Meldestelle für Whistleblower eingerichtet haben, bei der Angestellte Hinweise auf Rechtsverstöße melden können – etwa im Bereich Arbeits- und Gesundheitsschutz, Mindestlohn, Geldwäsche oder zu Qualitäts- und Sicherheitsstandards. Unternehmen mit 50 bis zu 249 Mitarbeitern haben für die Einrichtung bis zum 17. Dezember 2023 Zeit.

Beitrag zur Künstlersozialkasse steigt

Nachdem er vier Jahre lang stabil war, machte der Beitrag zur Künstlersozialkasse zum Jahreswechsel einen Sprung von 4,2 auf 5 Prozent. Er bemisst sich an den Honoraren, die das Unternehmen im Vorjahr an kreative Auftragnehmer (Webdesigner, Fotografen, Texter etc.) gezahlt hat.

Neue Sachbezugswerte

Das neue Jahr bringt wie so häufig neue Sachbezugswerte mit sich – das sind die Beträge, die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber versteuern müssen, wenn sie ihren Mitarbeitern ein freies Essen oder eine freie Unterkunft stellen. Seit Januar 2023 gelten für verbilligte oder unentgeltliche Mahlzeiten Sachbezugswerte von:

  • 2 Euro für ein Frühstück (2022: 1,87 Euro) und
  • 3,80 Euro für ein Mittag- oder Abendessen (2022: 3,57 Euro)

Das entspricht einem Monatswert von 288 Euro (Vorjahr: 270 Euro).

Die Betriebsprüfung wird digital

Bislang war die Teilnahme für Arbeitgeber freiwillig, seit Januar 2023 ist die elektronisch unterstützte Betriebsprüfung (euBP) Pflicht. Das heißt für Arbeitgeber: Sie müssen nun die Daten aus den Lohnabrechnungen ihrer Beschäftigten digital an die Deutsche Rentenversicherung übermitteln. Wer die Entgeltabrechnung noch händisch erstellt oder kein Geld für ein Software-Update hat, kann sich bis maximal Ende 2026 befreien lassen.

Die Rentenversicherung prüft die Daten auf Plausiblität und nimmt damit eine digitale Betriebsprüfung vor. Der ein oder andere Vor-Ort-Besuch von Prüfern in den Unternehmen dürfte damit überflüssig werden.

Steuerprivileg für die Photovoltaik

Rückwirkend zum Jahresanfang 2022 werden die Einnahmen und Entnahmen bei kleineren Photovoltaikanlagen einkommensteuerfrei. Das Privileg gilt für Anlagen bis zu einer Leistung von 30 kW/peak (peak: Spitzenleistung oder Nennleistung ist die maximal abgegebene Leistung einer Anlage) auf Einfamilienhäusern und Gewerbeimmobilien und bis zu einer Leistung von 15 kW (peak) auf Mehrfamilienhäusern je Wohn- und Gewerbeeinheit. Die Neuregelung ist unabhängig davon, wann die Anlage in Betrieb genommen wurde.

Änderungen gibt es auch bei der Umsatzsteuer: Für neue kleine Anlagen, inbesondere für solche bis 30 kW (peak) Anlagenleistung, entfällt sie ab 2023. Die Lieferung und Installation derartiger Systeme unterliegt ab 2023 einer im deutschen Recht neuartigen Nullsteuer. Im Endeffekt bedeutet das, dass sowohl das Material als auch dessen Montage nicht mit Umsatzsteuer belastet wird.

Schlechte Dämmung ist Vermietersache

Seit Jahresbeginn teilen sich Vermieter und Mieter die CO2-Kosten. Bislang war das Aufgabe der Mieter. Für die Aufteilung gilt künftig ein Stufenmodell, dessen Faustformel lautet: Je schlechter die Energiebilanz des Hauses, desto höher der Anteil des Vermieters oder der Vermieterin. Ist das Gebäude kaum gedämmt, so trägt der Vermieter 95 Prozent, die Mieter 5 Prozent der CO2-Kosten.

Für Gewerbegebäude sollen die CO2-Kosten zwischen Mietern und Vermietern geteilt werden, außer es ist etwas Anderes vereinbart. Bis Ende 2025 soll auch hier ein Stufenmodell entwickelt werden.

Neue Grundsicherung mit dem Bürgergeld

Hartz IV heißt jetzt Bürgergeld – die Bundesregierung hat zum 1. Januar 2023 das System der Grundsicherung umgestaltet. Was auf den ersten Blick wie eine Vergangenheitsbewältigung der SPD wirkt, die nach Einführung des Arbeitslosengeldes II (im Volksmund: Hartz IV) reihenweise Wahlen verlor, ist tatsächlich eine ausgewachsene arbeitsmarktpolitische Reform.

Zunächst steigt der Regelsatz für Menschen in der Grundsicherung um 53 auf 502 Euro. Zudem soll das Bürgergeld künftig nicht mehr rückwirkend an die Teuerung angepasst werden, sondern – im jährlichen Turnus – vorausschauend.

Im ersten Jahr des Bürgergeldbezugs gilt zudem eine Karenzzeit: Demnach dürfen die Empfänger Vermögen bis zu 40.000 Euro, jede weitere Person in der Bedarfsgemeinschaft bis zu 15.000 Euro Erspartes behalten. Die Miete wird in den ersten 12 Monaten vollständig vom Staat übernommen, die Heizkosten „im angemessenen Umfang“, wie das Bundesarbeitsministerium in einem FAQ schreibt. Nach Ablauf der Karenzeit sind bis zu 15.000 Euro Erspartes pro Mitglied der Bedarfsgemeinschaft erlaubt.

Bei Selbstständigen soll auch Vermögen, das der Alterssicherung dient, bis zu einer bestimmten Höhe unangetastet bleiben. Wieviel Schonvermögen im Einzelfall geschützt ist, unterliegt einer komplizierten Berechnung und hängt vor allem von der Dauer der Selbstständigkeit ab.