Schwierige Rechtsfragen muss der Architekt nicht beantworten können!

Ein jetzt erst in einer baurechtlichen Fachzeitschrift veröffentlichtes Urteil des OLG Köln ist zwar schon mehr als zwei Jahre alt, dennoch aber bestens geeignet, die Grundsätze der Architektenhaftung darzustellen.

Der Fall:

Ein Architekturbetrieb wurde unter anderem mit der Bauleitung und Bauüberwachung hinsichtlich der Errichtung eines Helikopterdachlandeplatzes auf einem mehrstöckigen Gebäude beauftragt. Die Auftraggeberin hat durch das Architekturunternehmen berechnete und mitgeteilte Mengenmehrungen bestritten und behauptet, es sei eine Anpassung der Einheitspreise auf Basis der Kalkulation nach § 2 Abs. 3 VOB/B vorzunehmen gewesen. Auch es seien die Stahlmassen fehlerhaft berechnet worden, was durch den Architekturbetrieb zu berücksichtigen gewesen wäre. Es seien daher an das Bauunternehmen überhöhte Abschlagszahlungen ausgeführt worden.

Der Architekturbetrieb hat unter anderem eingewendet, die Berechnungen seien korrekt ausgeführt worden. Insbesondere hätten keine über den erbrachten Leistungsumfang hinausgehende Überprüfungen der Abschlagsrechnungen erfolgen müssen.

Die Auftraggeberin hat das Architekturunternehmen gerichtlich auf Leistung von Schadensersatz wegen zu viel gezahlter Abschlagsleistungen in Anspruch genommen.

Die Entscheidung:

Das Berufungsgericht, das OLG Köln, hat die erstinstanzliche Klageabweisung im Wesentlichen bestätigt. Insbesondere hat das Gericht erklärt, dass die Frage einer Abgrenzung zwischen einer Mengenabweichung und einer Ausführungsvereinbarung eine Rechtsfrage darstellt. Bei der konkret vorliegenden schwierigen Sach- und Rechtslage würden die Anforderungen an das Maß der im Rahmen eines Architektenvertrages bei der Prüfung einer Abschlagsrechnung nach § 276 BGB anzuwendenden Sorgfalt erheblich überspannt werden, wollte man dem Architekten einen Sorgfaltsverstoß deswegen vorwerfen, weil er die Sach- und Rechtslage unzureichend erfasst bzw. beantwortet hat. Das Gericht hat die nachfolgenden Grundsätze herausgearbeitet, die auch in vergleichbaren Fällen Anwendung finden können:

  1. Ein mit der Bauüberwachung beauftragter Architekt ist verpflichtet, Abschlagsrechnungen von Bauunternehmen auf die fachtechnische und rechnerische Richtigkeit zu überprüfen sowie darauf, ob die abgerechneten Leistungen erbracht sind und ob sie der vertraglichen Vereinbarung entsprechen.
  2. Soweit ein Architekt im Zuge der Rechnungsprüfung in einer komplexeren Konstellation eine schwierige Rechtsfrage nur unzureichend oder nicht richtig erfasst, liegt hierin keine schuldhafte Pflichtverletzung.
  3. Beim Auftraggeber entsteht im Falle eines Fehlers des Architekten bei der Rechnungsprüfung ein Schaden nicht erst dann, wenn das Scheitern eines Rückzahlungsbegehren gegenüber dem Unternehmer feststeht. Dagegen kann der Auftraggeber den Architekten dann unmittelbar in Anspruch nehmen, dies allerdings nur Zug um Zug gegen Abtretung des betreffenden Anspruches gegenüber dem Bauunternehmer.
  4. Eine auftragslos ausgeführte Leistung ist im VOB-Bauvertrag unverzüglich dem Auftraggeber anzuzeigen. Unzureichend ist grundsätzlich eine Anzeige an den bauüberwachenden Architekten.
  5. Die Prüfung einer Abschlags- oder Schlussrechnung durch den bauleitenden Architekten begründet kein nachträgliches Anerkenntnis hinsichtlich einer auftragslos erbrachten Leistung. Ein solches Anerkenntnis liegt auch nicht darin, dass der Auftraggeber das in veränderter Weise hergestellte Werk hinnimmt.

Folgerichtig wurde die Berufung des Auftraggebers als unbegründet zurückgewiesen. Eine Revision wurde nicht zugelassen, mithin ist das Urteil rechtskräftig geworden.

(Das Uurteil des OLG Köln vom 16. April 2021 zum Az.: V19 U 56/20 kann durch Anklicken hier nachgelesen werden)

BGH: Altersgrenze für Notare ist keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters

Mit Urteil vom 21. August 2023 hat der Senat für Notarsachen beim Bundesgerichtshof (BGH) zum dortigen Az. NotZ(Brfg) 4/22 entschieden, dass die bundesdeutsche Altersgrenze für Notare mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar ist. Im deutschen Recht ist in § 47 Nr. 2 iVm § 48a Bundesnotarordnung (BNotO) geregelt, dass das Amt des Notars mit dem Ende des Monats, in dem er das 70. Lebensjahr vollendet, erlischt.

Das Urteil ist noch nicht vollständig abgesetzt. In einer Pressemitteilung des BGH vom 23.08.2023 heißt es:

Sachverhalt:

Der Kläger ist Anwaltsnotar und wird im Laufe des Jahres 2023 das 70. Lebensjahr vollenden. Er macht geltend, die Altersgrenze verstoße gegen das sich aus Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie Art. 1, Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (nachfolgend: RL 2000/78) ergebende Verbot der Diskriminierung wegen des Alters. Die Altersgrenze sei angesichts eines mittlerweile eingetretenen erheblichen Nachwuchsmangels nicht mehr im Sinn von Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78 objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt.

Prozessverlauf:

Die Klage auf Feststellung, dass das Amt des Klägers als Notar nicht mit dem Ablauf des Monats, in dem er das 70. Lebensjahr vollendet, erlischt, ist vor dem Oberlandesgericht ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Bundesgerichtshof zugelassenen Berufung hat er sein Klageziel weiterverfolgt.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Senat für Notarsachen hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Altersgrenze soll den Generationenwechsel erleichtern und den Berufsstand der Notare verjüngen. Sie ist nach den vom Senat getroffenen Feststellungen zur Erreichung dieses Ziels nach wie vor erforderlich. Aus dem für den Zeitraum 2020 bis 2022 eingeholten Gutachten der Bundesnotarkammer zur Anzahl der bestehenden und ausgeschriebenen Stellen und der eingegangenen Bewerbungen sowie zur Verteilung der Notarinnen und Notare in Altersgruppen ergibt sich, dass im hauptberuflichen Notariat bundesweit ein erheblicher Bewerberüberhang herrscht. Lediglich in den Oberlandesgerichtsbezirken, in denen Rechtsanwälte als Notare im Nebenberuf tätig sind (Braunschweig, Bremen, Celle, Frankfurt am Main, Hamm, Oldenburg, Schleswig sowie der Bezirk des Kammergerichts und im Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf der rechtsrheinische Teil des Landgerichtsbezirks Duisburg sowie der Amtsgerichtsbezirk Emmerich), besteht teilweise ein erheblicher Bewerbermangel. Daraus und aus weiteren statistischen Daten hat der Senat für Notarsachen geschlossen, dass es für den Notarberuf keinen Nachwuchsmangel aus demographischen Gründen gibt. Der Bewerbermangel im Anwaltsnotariat hat andere, seit etwa 2010 bestehende strukturelle Gründe. Dies sind insbesondere die neben der Berufstätigkeit als Rechtsanwalt vorzubereitende und abzulegende notarielle Fachprüfung sowie die sich stetig weiter erhöhenden (auch technischen) Anforderungen an die Ausübung des Nebenberufs.

Die Altersgrenze ist vor diesem Hintergrund auch im Anwaltsnotariat nach wie vor erforderlich, um ein legitimes Ziel im Sinn von Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78 zu erreichen. Bleiben lebensältere Notare mit gut eingeführten Notarstellen und einem großen Stamm an Urkundsbeteiligten ohne Altersgrenze im Amt, haben jüngere Rechtsanwälte keine hinreichende und planbare Aussicht auf wirtschaftlich leistungsfähige Notariate. Sie werden dann oftmals den erheblichen Aufwand für den Einstieg in den Nebenberuf nicht auf sich nehmen. Der Senat konnte daher nicht feststellen, dass der Gesetzgeber, der 2021 im Hinblick auf den bereits seinerzeit bestehenden Bewerbermangel im Bereich des Anwaltsnotariats einige Verbesserungen beschlossen (§ 48b und § 5b Abs. 3 BNotO), jedoch an der Altersgrenze festgehalten hat, dabei den ihm nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zukommenden Prognose- und Beurteilungsspielraum verletzt hat. Ein angemessener Interessenausgleich wird auch dadurch gewährleistet, dass die Altersgrenze für Notare deutlich über den im Bund und in den Ländern geltenden Pensionsaltersgrenzen liegt und aus dem Amt ausscheidende Anwaltsnotare nicht gehindert sind, den Beruf des Rechtsanwalts weiterhin auszuüben und als Notarvertreter oder Notariatsverwalter tätig zu sein.“

Vorinstanz:

Das Urteil des OLG Köln vom 10. Februar 2022 zum Az. Not 5/21 ist damit durch den BGH bestätigt worden.

Verbraucher können mündlich vereinbarte Bau-Nachträge widerrufen

Der Fall:

Ein Werkunternehmer und ein privater Bauherr stritten über eine mündlich und ohne Widerrufsbe­lehrung auf der Baustelle geschlossene Nachtragsvereinbarung. Es wurde keine Einigung erzielt. Der Werkunternehmer hat nach Leistungserbringung Werklohn gefordert; darauf hat der Bauherr die Nachtragsvereinbarung widerrufen.

Die Entscheidung:

Das OLG Karlsruhe hat – wie bereits das Ausgangsgericht – dem Bauherrn als Verbraucher hin­sichtlich des ausgeübten Widerrufs Recht gegeben:

Das Berufungsgericht hat erklärt, dass Nachtragsvereinbarungen über zusätzliche Leistungen des Unternehmers rechtlich selbständige Werkverträge sind, weil sie – wie der Hauptvertrag – durch Angebot und Annahme zu Stande gekommen sind. Daher können sie unter den Voraussetzungen der §§ 312 b, 312 g BGB selbständig widerrufen werden. Der Umstand, dass Nachtragsvereinbarungen insbesondere dann mit dem Hauptvertrag „zusammenhängen“, wenn sie die nach dem Hauptvertrag geschuldeten Leistungen nur ergänzen oder lediglich solche zusätzlichen Leistungen zum Gegen­stand haben, die zur Herstellung eines funktionstüchtigen Werks erforderlich sind, ändert nichts dar­an, dass die von den Parteien getroffene Abrede über den zusätzlichen Leistungsinhalt und dessen Vergütung – also die Nachtragsvereinbarung – ein selbständiger Werkvertrag ist.

Nach dem Wortlaut des § 312 b Abs. 1 Nr. 1 BGB kommt es für das Widerrufsrecht nur darauf an, dass der Vertragsschluss außerhalb von Geschäftsräumen erfolgt ist. Auf eine konkrete Überra­schung oder Überrumpelung kommt es nicht an. Es ist auch nicht notwendig, dass die Überrumpe­lungssituation im konkreten Fall kausal zum Vertragsschluss durch den Verbraucher geführt hat. Auch aus der Gesetzesbegründung der Verbraucherrichtlinie 2011/83/EU ergibt sich keine ein­schränkende Auslegung des Gesetzeswortlauts: Auch hieraus wird dagegen deutlich, dass dem Ver­braucher ein Widerrufsrecht bereits deshalb eingeräumt wird, weil er außerhalb von Geschäftsräu­men „möglicherweise“ psychisch unter Druck steht oder einem Überraschungsmoment ausgesetzt ist. Nach diesem typisierten Maßstab kommt es auf eine konkrete Schutzbedürftigkeit des Verbrau­chers im Einzelfall nicht an.

Der Unternehmer verliert durch den Widerruf seinen Vergütungsanspruch, während der Verbraucher die Leistung behalten darf.

Anmerkung der Fachanwaltes:

Der Unternehmer kann den nachteiligen Folgen des Widerrufs begegnen, indem er den Verbraucher über das Widerrufsrecht belehrt und ein ausdrückliches Leistungsverlangen des Verbrauchers vor Ablauf der Widerrufsfrist sich von diesem schriftlich oder ihn in Gegenwart von Zeugen bestätigen lässt (vergleiche § 357 a Abs. 2 Nr. 1 BGB).

(Die Entscheidung des OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14. April 2023, Az.: 8 U 17/23 kann durch Anklicken hier im Originaltext gelesen werden)

Alles Gute zum neuen Jahr 2023!

Das Team von MELCHER MORAT Rechtsanwälten wünscht Ihnen für das neue Jahr nur das Beste und dieser Welt Frieden, Gerechtigkeit und sozialen Ausgleich.

Zur Einstimmung informieren wir Sie hier über einige der relevantesten Rechts- u.a. Änderungen, die ab diesem neuen Jahr gelten. Weitere Informationen erhalten Sie selbstverständlich bei uns direkt.

Abfahrt für das 49-Euro-Ticket

Das 9-Euro-Ticke bekommt einen Nachfolger: Bund und Länder haben sich auf ein „Deutschland-Ticket“ geeinigt. Mit 49 Euro ist es kein ganz so großes Schnäppchen wie sein Vorgänger, aber es soll ebenfalls in allen Nahverkehrsverbünden gelten. Wann es genau startet, ist noch unklar. Als wahrscheinlicher Termin gilt der 1. April oder der 1. Mai 2023.

Höherer Grundfreibetrag

Der Grundfreibetrag ist mit dem Jahresbeginn um 561 Euro auf 10.908 Euro gestiegen. Diese Änderung soll sicherstellen, dass das Existenzminimum nicht besteuert wird. Um die kalte Progression zu mindern, also einer schleichenden Steuererhöhung infolge von Lohnsteigerungen und Inflation, greift der Spitzensteuersatz von 42 Prozent künftig erst bei 62.810 Euro. Zuvor waren es 58.597 Euro.

Das Wohngeld Plus kommt

Neben dem 49-Euro-Ticket gibt es auch eine Wohngeldreform. Künftig sollen mehr als doppelt soviel Haushalte als bislang die nun „Wohngeld Plus“ genannte Leistung bekommen, sie steigt nach Angaben der Regierung von durchschnittlich rund 180 Euro pro Monat (ohne Reform) auf rund 370 Euro.

Die Wohngeldämter rechnen mit 1,5 Millionen Anträgen, doch die Technik in den Behörden macht das nicht mit. Die Software für die Online-Beantragung könnte in einigen Bundesländern erst im Frühjahr fertig werden, zu wenig Personal gibt es sowieso.

Höhere Beitrage bei Arbeitslosen- und Krankenversicherung

Zuerst die schlechte Nachricht: Die Sozialbeiträge steigen insbesondere für Gutverdiener kräftig an. Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung klettert von 2,4 auf 2,6 Prozent des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts, der Zusatzbeitrag zur Krankenversicherung von durchschnittlich 1,3 auf 1,6 Prozent. Auch die Pflegeversicherung könnte im Laufe des Jahres 2023 teurer werden.

Home-Office-Pauschale für alle

Und jetzt die gute Nachricht: Die Arbeit zuhause wird weiter gefördert, die steuerlichen Regeln für Arbeitszimmer gelockert. Die Home-Office-Pauschale, eigentlich eine Erfindung der Pandemiejahre, wird nun verstetigt und erhöht. Statt wie bislang 5 Euro pro Arbeitstag (bei maximal 120 Arbeitstagen im Jahr) soll es sie 2023 für insgesamt 210 Tage geben. Zudem steigt der Tagessatz auf 6 Euro für alle, die am Küchentisch, im Heizungskeller oder wo auch immer arbeiten. Das steht im neuen Jahressteuergesetz.

Wer die maximal möglichen Home-Office-Tage ansetzt, darf sich also über 1260 Euro Home-Office-Pauschale freuen. Allerdings muss sie weiterhin mit der Werbungskostenpauschale verrechnet werden, die von 1.200 Euro auf 1.230 Euro angehoben werden soll.

Einfacher soll es für die werden, die ein richtiges häusliches Arbeitszimmer haben. Im  Jahressteuergesetz wird dessen Besteuerung der Home-Office-Pauschale angeglichen. Bildet das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der betrieblichen und beruflichen Tätigkeit, können Arbeitnehmer zwischen einer Jahrespauschale von 1.260 Euro oder dem Abzug der tatsächlichen Aufwendungen in voller Höhe wählen.

Bildet das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der beruflichen Betätigung, steht aber dauerhaft kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, können Betroffene anstelle der Jahrespauschale die Homeoffice-Pauschale von 6 Euro pro Tag geltend machen – wieder bis maximal 1.260 Euro.

Rechengrößen in der Sozialversicherung

Die Beitragsbemessungs- und Versicherungspflichtgrenzen verschieben sich – wie zu jedem Jahreswechsel – nach oben. Die Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenkasse steigt monatlich um 150 Euro auf 4987,50 brutto (59.850 Euro brutto im Jahr). Die Krankenkassenbeiträge berechnen sich bis zu diesem Betrag; wer mehr verdient, muss davon nichts mehr an die Krankenkasse abgeben. Die Versicherungspflichtgrenze, ab der Angestellte in die private Krankenkasse wechseln können, verschiebt sich von 64.350 Euro auf 66.600 Euro brutto jährlich.

Die Beitragsbemessungsgrenze in der Arbeitslosen- und Rentenversicherung steigt auf 7.300 Euro monatlich (bislang 7.050 Euro) im Westen und 7.100 Euro (bislang 6.750 Euro) monatlich im Osten.

Zuschlag bei Kinderzuschlag und Kindergeld

Auch für Familien steckt etwas im Entlastungspaket III: Das Kindergeld wurde zum 1. Januar 2023 kräftig um 31 Euro auf 250 Euro für jedes der ersten drei Kinder erhöht. Für eine Familie mit zwei Kindern bedeute das eine jährliche Entlastung um 744 Euro, rechnet die Bundesregierung vor. Auch der Kinderzuschlag für Alleinerziehende und Familien mit niedrigem Haushaltseinkommen steigt auf maximal 250 Euro.

Unbegrenzt hinzuverdienen

Der Arbeitsmarkt braucht jede und jeden – und deshalb fallen jetzt die nächsten Hinzuverdienstgrenzen für Rentner. Menschen in der Regelaltersrente dürfen schon 2017 unbegrenzt dazuverdienen, seit dem 1. Januar 2023 gilt dies nun auch für Frührentner. Gehen sie weiter arbeiten, wird das Einkommen nicht mehr auf die Frührente angerechnet. 2022 galt für ihren anrechnungsfreien Hinzuverdienst noch eine Höchstgrenze von bis zu 46.060 Euro jährlich.

Auch die Hinzuverdienstgrenzen für Menschen mit Erwerbungsminderungsrente (EM-Rente) werden großzügig ausgeweitet: Mit voller EM-Rente dürfen bis zu 17.823,75 Euro jährlich anrechnungsfrei hinzuverdient, aber nicht mehr als drei Stunden täglich gearbeitet werden. Bei Menschen mit teilweiser Erwerbsminderungsrente liegt die Grenze bei 35.647,50 Euro jährlich und maximal 6 Stunden Arbeit täglich.

Der Sozialverband VdK kritisiert, dass von dieser Gesetzesänderung nur die profitieren, die ohnehin schon eine gute Rente beziehen. Einkommensschwache ältere Arbeitnehmer könnten es sich gar nicht leisten, früher in Rente zu gehen, weil die Abschläge zu hoch seien.

Mehr Rente mit Angleichung zwischen Ost und West

Vor zwei Jahren fiel die Rentenerhöhung aus, 2022 gab es einen kräftigen Zuschlag – und so geht es auch 2023 weiter: Die Renten sollen zum 1. Juli um 3,5 Prozent (alte Länder) und 4,2 Prozent (neue Länder) steigen. Auch die Rentenangleichung zwischen Ost und West kommt voran: So soll zum Juli 2023 der Rentenwert in den neuen Bundesländern bei 99,3 Prozent des Westwerts liegen, bevor dann am 1. Juli 2024 dasselbe Niveau erreicht ist.

Der Rentenbrief wird digital

Alle Versicherten kennen den Brief, den die Deutsche Rentenversicherung an alle ab 27 Jahren einmal im Jahr verschickt. Sein Inhalt: Angaben über die zu erwartende Rente und deren Höhe. 2018 entdeckte die schwarz-rote Bundesregierung, dass diese Art der Information vielleicht nicht mehr ganz zeitgemäß ist, und brachte ein Rentenportal auf den Weg.

2023, also fünf Jahre später, soll die „Digitale Rentenübersicht“ in den Testbetrieb gehen. Interessierte Bürger sollen das Portal ab Sommer probeweise nutzen dürfen, bevor der Regelbetrieb dann 2024 beginnen soll.

Kostenbremsen bei den Gas-, Fernwärme- und Strompreisen

Die Gas- und Strompreisbremsen gelten nicht gerade als Musterbeispiel für eine gelungene Gesetzmechanik: zu kompliziert, zu bürokratisch, zu spät, kaum umsetzbar und irre teuer, lautet die Kritik. Aber es hilft ja nichts: Der Winter ist gekommen, und da muss Deutschland jetzt durch. So will die Bundesregierung Gas- und Fernwärmekunden bereits im Dezember eine Soforthilfe in Höhe eines Monatsabschlags zahlen. Zusätzlich soll ab 2023 eine Strom- und Gaspreisbremse geben, die bis April 2024 wirken soll.

Geplant ist, dass private Haushalte  für 80 Prozent des für 2023 prognostizierten Gas- und Stromverbrauchs einen gedeckelten Preis zahlen. Bei Gas liegt dieser bei 12 Cent pro Kilowattstunde (kWh), für Fernwärme bei 9,5 Cent/kWh, für Strom gilt ein Preisdeckel bei 40 Cent pro kWh. Über die 80-Prozent-Marke hinaus soll der Marktpreis fällig werden.

Kunden müssen nichts weiter tun, die Versorger sollen die Entlastung berechnen und die reduzierten Abschläge automatisch in Rechnung stellen. Damit die Anbieter mehr Zeit haben, sollen die Entlastungbeträge für Januar und Februar erst im März ausgezahlt werden. Mieterinnen und Mieter werden von den Preisbremsen in der Regel erst bei der Betriebskostenabrechnung profitieren.

Neues Tierwohllabel für Schweinefleisch

Wer gern in Schwein beißt, soll jetzt erfahren können, wie das Tier zuvor gelebt hat. Wurde es hierzulande gehalten und verkauft, muss das Fleisch mit der Haltungskategorie gekennzeichnet werden. Davon gibt es künftig fünf:

  • Stall (Haltung nach Mindestanforderungen),
  • Stall+Platz (20 Prozent mehr Bodenfläche),
  • Frischluftstall (Ställe haben noch mehr Platz und sind nach mindestens einer Seite offen),
  • Auslauf/Freiland (mindestens 8 Stunden Auslauf am Tag) und
  • Bio (noch größere Auslauffläche, noch mehr Platz im Stall).

Weil das Gesetz zunächst nur für Schweine gelten soll, kritisiert der Deutsche Tierschutzbund es als „großspurige Irreführung“. Wichtige Themen wie Transport und Schlachtung der Tiere würden gar nicht erfasst.

Das Recht auf Reparatur kommt

Smartphones und Tablets sollen künftig leichter zu reparieren sein: Niemand soll mehr sein Handy wegwerfen müssen, weil der Akku nicht austauschbar ist. Mit der Ökodesign-Verordnung will die EU-Kommission die Hersteller verpflichten, bestimmte Ersatzteile und Reparaturinformationen vorzuhalten und Software-Updates zu gewährleisten – und das für bis zu sieben Jahre. Mit dem „Recht auf Reparatur“ wären die Geräte langlebiger – und letztlich nachhaltiger.

Die Ökodesign-Verordnung soll laut Bundeswirtschaftsministerium 2023 in Kraft treten und nach einer 21-monatigen-Übergangsfrist für alle in der EU verkauften Geräte gelten.

Mehr Abzugsmöglichkeiten für Sparer

Zum ersten Mal seit seiner Einführung 2009 steigt der Sparerpauschbetrag, seit Anfang 2023 liegt er bei 1000 Euro für Singles (2000 Euro für Verheiratete). Zuvor waren es jahrelang 801 Euro (1602 Euro für Eheleute). Bis in diese Höhe sind etwa Zinseinnahmen oder Aktiendividenden steuerfrei. Ein weitergehender Abzug von Werbungskosten zum Beispiel für Beratung und Vermögensverwaltung ist ausgeschlossen.

Mehr Heimschläfer nach Operationen

Kliniken sollen mehr Geld bekommen, so will es die Bundesregierung mit dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz. Das werden Patientinnen und Patientin durchaus positiv zu spüren bekommen: So müssen sie für viele Eingriffe nicht mehr in der Klinik übernachten. Die Krankenhäuser dürfen künftig ambulante Eingriffe, bei denen die Behandelten nur tagsüber im Krankenhaus sind, mit attraktiven Vergütungssätzen abrechnen. Der Heimschläfer-Ansatz soll das Pflegepersonal entlasten.

Mehr Geld, etwa 380 Millionen Euro in den kommenden zwei Jahren, gibt es außerdem für Kinderkrankenhäuser und die Geburtshilfe.

Mehrweg-Pflicht in der Gastronomie

Mit Kräutersoße oder Knoblauch? Wer ein Essen to-go ordert, wird künftig nicht nur gefragt werden, welches Topping auf den Dönerteller soll – Kunden müssen seit Januar 2023 auch zwingend darauf hingewiesen werden, dass sie die Speisen und Getränke in Mehrwegbehältern erhalten können. Die wiederverwendbaren Behältnisse dürfen nicht mehr kosten als ihre Einweggeschwister, allerdings, so schreibt das Umweltbundesamt, „bleibt die Erhebung eines angemessenen Pfandes auf die Mehrwegverpackungen möglich“.

Die Pflicht, auch Mehrwegbehältnisse anzubieten, trifft Restaurants, Bäckereien, Bistros und Cafés, aber Tankstellen und Kantinen. Kunden müssen laut § 33 Absatz 2 Verpackungsgesetz mit „deutlich sicht- und lesbaren Informationstafeln oder -schildern“ auf die Mehrwegmöglichkeit hingewiesen werden, entsprechendes gilt für Onlinebestellungen.

Ausgenommen sind lediglich sehr kleine Geschäfte wie Imbisse, Spätis oder Kioske, in denen maximal fünf Beschäftigte arbeiten und die nicht mehr als 80 Quadratmeter Ladenfläche haben. Verkaufsstellen von Filialketten gelten nicht als kleine Geschäfte, weil im gesamten Unternehmen mehr als fünf Angestellte tätig sind.

Weniger Geld für E-Autos

Bislang gab der Staat eine beachtliche Menge Geld dazu, wenn sich seine Bürger ein Elektroauto zulegten. 6000 Euro waren es bei einem Nettolistenpreis von bis zu 40.000 Euro. Doch mit dem Jahresbeginn hat die Bundesregierung den „Umweltbonus“ zusammengestrichen. Nach den neuen Förderrichtlinien gibt es für E-Autos

  • mit einem Nettolistenpreis bis zu 40.000 Euro statt 6000 Euro nur noch 4.500 Euro,
  • mit einem Nettolistenpreis zwischen 40.000 Euro und bis zu 65.000 Euro statt 5.000 nur noch 3.000 Euro.

Plug-In-Hybride fallen ganz aus der Förderung, weil das Bundeswirtschaftsministerium nur noch Autos mitfinanzieren will, die „nachweislich einen positiven Klimaschutzeffekt haben“. Die neuen Regeln gelten für Anträge, die ab dem 1. Januar 2023 gestellt werden.

Unternehmen sind bis zum 31. August 2023 antragsberechtigt, danach erhalten nur noch Privatleute die Förderung. Derzeit wird noch diskutiert, ob auch Kleingewerbetreibende über den September hinaus vom Umweltbonus profitieren sollen. 2024 gehen die Fördersätze weiter runter.

Energiepreisbremse für Betriebe

Nicht nur für Verbraucher, auch für kleine und mittelgroße Unternehmen wird es eine Energiepreisbremse geben – unter ganz ähnlichen Bedingungen wie für privaten Kunden. So sollen Betriebe mit einem Gasverbrauch von weniger als 1500 Megawattstunden einen gedeckelten Preis von 12 Cent pro Kilowattstunde (kWh) zahlen, für Fernwärme liegt dieser bei 9,5 Cent/kWh.

Wie bei Privatkunden gilt die Preisbremse für 80 Prozent des für 2023 prognostizierten Gas- und Fernwärmeverbrauchs, darüber hinaus greift der Marktpreis. Das soll zum Energiesparen anregen.

Der Strompreis wird für kleine Unternehmen ebenso wie für Verbraucher bei 40 Cent pro Kilowattstunde gedeckelt. Ebenso wie bei der Gaspreisbremse sind die Hilfen auf 80 Prozent des historischen Verbrauchs limitiert – in der Regel gemessen am Vorjahr. Für große Industrieunternehmen mit mehr als 30.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch liegt der Deckel bei 13 Cent (Netto-Arbeitspreis) für 70 Prozent des historischen Verbrauchs, danach greift der Marktpreis.

Die Energiepreisbremse soll erst ab März 2023 starten und dann rückwirkend auch für Januar und Februar ausgezahlt werden. Für große industrielle Gasverbraucher soll die Auszahlung bereits im Januar beginnen.

Energieintensive Unternehmen, die trotz der Preisbremsen vor dem Ruin stehen, sollen mit einer „Härtefallhilfe“ unterstützt werden. Das gilt für etwa Betriebe, die mit Öl oder Holzpellets heizen oder deren Energiepreise sich schon im Sommer 2022 vervielfacht haben. Dafür stellt der Bund 1 Milliarde Euro zur Verfügung, die Länder regeln die Details.

Mehr Sorgfalt in der Lieferkette

Ab 2023 sind große Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen ihrer Lieferanten im Ausland verantwortlich. Das vollständigerweise „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ genannte Regelwerk verpflichtet Betriebe mit mindestens 3000 Beschäftigten, Vorkehrungen zu treffen, mit denen sie Rechtsverletzungen bei ihren Zulieferern verhindern können.

Das Gesetz verlangt, dass Unternehmen einen unternehmerisch sorgfältigen Prozess schaffen müssen, der bei einem Risikomanagement beginnt, Schulungen oder Zertifizierungen umfasst und ein Beschwerdesystem vorsieht, falls ein Zulieferer die Menschenrechte verletzt.

Nachweisen müssen die Unternehmern also vor allem, dass sie sich bemüht haben, also zum Beispiel mit den Lieferanten gesprochen oder die Risiken dokumentiert haben. Dass sie die Menschenrechtsverletzungen in jedem Fall beseitigen, ist aber nicht Teil des Pflichtenheftes. Verlangt werden nur Maßnahmen, die machbar und „angemessen“ sind. Je mehr Einfluss das Unternehmen hat, desto mehr Anstrengungen können auch von ihm erwartet werden. Ab 2024 müssen auch Firmen ab 1000 Mitarbeitern das Lieferkettengesetz beachten.

Der digitale gelbe Zettel kommt – jetzt wirklich

Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) war so etwas wie ein Albtraumprojekt für die Gesundheitsverwaltung und musste mehr als einmal verschoben werden. Nun lichtet sich das Digitalisierungschaos, und die eAU wird zur Pflicht für Unternehmen. Das bedeutet konkret: Seit Januar müssen Beschäftigte keinen „Gelben Schein“ mit ihrer Krankschreibung mehr an den Betrieb schicken.

Ihrem Arbeitgeber müssen sie aber sehr wohl noch mitteilen, dass sie arbeitsunfähig sind und wie lange das voraussichtlich so bleiben wird. Der Betrieb wartet dann allerdings nicht mehr auf den gelben Zettel, sondern ruft die Krankheitsdaten bei der Krankenversicherung des Arbeitnehmers elektronisch ab.

Azubis bekommen mehr

Die Mindestausbildungsvergütung steigt von 585 Euro auf 620 Euro für Ausbildungen, die 2023 begonnen werden – das ist das Minimum, das nicht-tarifgebundene Arbeitgeber Lehrlingen zahlen müssen. Im 2. Lehrjahr steigt die Mindestvergütung um 18 Prozent und im 3. Lehrjahr um 35 Prozent (gegenüber dem 1. Ausbildungsjahr).

Eine Nummer für jeden Betrieb

Unternehmen, die bei einer Berufsgenossenschaft und der Unfallkasse Mitglied sind, erhalten zum 1. Januar eine Unternehmensnummer. Diese ist bundeseinheitlich und ersetzt die alten Mitgliedsnummern, die nur für den jeweiligen Träger galten. Zusammen mit der neuen 15-stelligen Nummer übermitteln die Firmen die Jahresdaten für die Unfallversicherungen und die Lohnnachweise digital.

Neue Verdienstgrenze bei Midijobs

Änderungen gibt es auch für Midijobber: Sie dürfen im neuen Jahr nun bis zu 2.000 Euro verdienen, ohne dass sie die vollen Sozialversicherungsbeiträge zahlen müssen. Die Verdienstgrenze war erst vor kurzem, im Oktober 2022, auf 1.600 Euro erhöht worden, jetzt steigt sie abermals. Durch die neuerliche Anhebung könnten einige Teilzeitkräfte plötzlich zu Midijobbern werden.

Meldestelle für Whistleblower

Seit 1. Januar müssen Unternehmen ab 250 Mitarbeitern sowie Finanzdienstleister unabhängig von der Mitarbeiterzahl eine Meldestelle für Whistleblower eingerichtet haben, bei der Angestellte Hinweise auf Rechtsverstöße melden können – etwa im Bereich Arbeits- und Gesundheitsschutz, Mindestlohn, Geldwäsche oder zu Qualitäts- und Sicherheitsstandards. Unternehmen mit 50 bis zu 249 Mitarbeitern haben für die Einrichtung bis zum 17. Dezember 2023 Zeit.

Beitrag zur Künstlersozialkasse steigt

Nachdem er vier Jahre lang stabil war, machte der Beitrag zur Künstlersozialkasse zum Jahreswechsel einen Sprung von 4,2 auf 5 Prozent. Er bemisst sich an den Honoraren, die das Unternehmen im Vorjahr an kreative Auftragnehmer (Webdesigner, Fotografen, Texter etc.) gezahlt hat.

Neue Sachbezugswerte

Das neue Jahr bringt wie so häufig neue Sachbezugswerte mit sich – das sind die Beträge, die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber versteuern müssen, wenn sie ihren Mitarbeitern ein freies Essen oder eine freie Unterkunft stellen. Seit Januar 2023 gelten für verbilligte oder unentgeltliche Mahlzeiten Sachbezugswerte von:

  • 2 Euro für ein Frühstück (2022: 1,87 Euro) und
  • 3,80 Euro für ein Mittag- oder Abendessen (2022: 3,57 Euro)

Das entspricht einem Monatswert von 288 Euro (Vorjahr: 270 Euro).

Die Betriebsprüfung wird digital

Bislang war die Teilnahme für Arbeitgeber freiwillig, seit Januar 2023 ist die elektronisch unterstützte Betriebsprüfung (euBP) Pflicht. Das heißt für Arbeitgeber: Sie müssen nun die Daten aus den Lohnabrechnungen ihrer Beschäftigten digital an die Deutsche Rentenversicherung übermitteln. Wer die Entgeltabrechnung noch händisch erstellt oder kein Geld für ein Software-Update hat, kann sich bis maximal Ende 2026 befreien lassen.

Die Rentenversicherung prüft die Daten auf Plausiblität und nimmt damit eine digitale Betriebsprüfung vor. Der ein oder andere Vor-Ort-Besuch von Prüfern in den Unternehmen dürfte damit überflüssig werden.

Steuerprivileg für die Photovoltaik

Rückwirkend zum Jahresanfang 2022 werden die Einnahmen und Entnahmen bei kleineren Photovoltaikanlagen einkommensteuerfrei. Das Privileg gilt für Anlagen bis zu einer Leistung von 30 kW/peak (peak: Spitzenleistung oder Nennleistung ist die maximal abgegebene Leistung einer Anlage) auf Einfamilienhäusern und Gewerbeimmobilien und bis zu einer Leistung von 15 kW (peak) auf Mehrfamilienhäusern je Wohn- und Gewerbeeinheit. Die Neuregelung ist unabhängig davon, wann die Anlage in Betrieb genommen wurde.

Änderungen gibt es auch bei der Umsatzsteuer: Für neue kleine Anlagen, inbesondere für solche bis 30 kW (peak) Anlagenleistung, entfällt sie ab 2023. Die Lieferung und Installation derartiger Systeme unterliegt ab 2023 einer im deutschen Recht neuartigen Nullsteuer. Im Endeffekt bedeutet das, dass sowohl das Material als auch dessen Montage nicht mit Umsatzsteuer belastet wird.

Schlechte Dämmung ist Vermietersache

Seit Jahresbeginn teilen sich Vermieter und Mieter die CO2-Kosten. Bislang war das Aufgabe der Mieter. Für die Aufteilung gilt künftig ein Stufenmodell, dessen Faustformel lautet: Je schlechter die Energiebilanz des Hauses, desto höher der Anteil des Vermieters oder der Vermieterin. Ist das Gebäude kaum gedämmt, so trägt der Vermieter 95 Prozent, die Mieter 5 Prozent der CO2-Kosten.

Für Gewerbegebäude sollen die CO2-Kosten zwischen Mietern und Vermietern geteilt werden, außer es ist etwas Anderes vereinbart. Bis Ende 2025 soll auch hier ein Stufenmodell entwickelt werden.

Neue Grundsicherung mit dem Bürgergeld

Hartz IV heißt jetzt Bürgergeld – die Bundesregierung hat zum 1. Januar 2023 das System der Grundsicherung umgestaltet. Was auf den ersten Blick wie eine Vergangenheitsbewältigung der SPD wirkt, die nach Einführung des Arbeitslosengeldes II (im Volksmund: Hartz IV) reihenweise Wahlen verlor, ist tatsächlich eine ausgewachsene arbeitsmarktpolitische Reform.

Zunächst steigt der Regelsatz für Menschen in der Grundsicherung um 53 auf 502 Euro. Zudem soll das Bürgergeld künftig nicht mehr rückwirkend an die Teuerung angepasst werden, sondern – im jährlichen Turnus – vorausschauend.

Im ersten Jahr des Bürgergeldbezugs gilt zudem eine Karenzzeit: Demnach dürfen die Empfänger Vermögen bis zu 40.000 Euro, jede weitere Person in der Bedarfsgemeinschaft bis zu 15.000 Euro Erspartes behalten. Die Miete wird in den ersten 12 Monaten vollständig vom Staat übernommen, die Heizkosten „im angemessenen Umfang“, wie das Bundesarbeitsministerium in einem FAQ schreibt. Nach Ablauf der Karenzeit sind bis zu 15.000 Euro Erspartes pro Mitglied der Bedarfsgemeinschaft erlaubt.

Bei Selbstständigen soll auch Vermögen, das der Alterssicherung dient, bis zu einer bestimmten Höhe unangetastet bleiben. Wieviel Schonvermögen im Einzelfall geschützt ist, unterliegt einer komplizierten Berechnung und hängt vor allem von der Dauer der Selbstständigkeit ab.

Neue Grundstücksbewertung ab 2023 – Handeln erforderlich?

Alle Grundstücksbesitzer, die sich mit dem Gedanken einer vorweggenommenen Erbfolge – also der lebzeitigen Vermögensübertragung an Kinder – beschäftigen, aufgepasst:

Im sog. „Jahressteuergesetz 2022“, das noch in diesem Jahr parlamentarisch beschlossen werden soll, ist vorgesehen, dass Immobilien ab 2023 steuerlich deutlich höher bewertet werden. Das hat Auswirkungen u.a. auf Schenkungs- und Erbschaftssteuern.

So wird die Nutzungsdauer von Immobilien von 70 auf 80 Jahre erhöht und die Minderung des Alterswerts wird geringer, der Wert der Immobilie dadurch höher. Auch wird der Sachwertfaktor künftig je nach Region und Immobilie von 0,9 bis 1,1 auf 1,3 bis 1,5 steigen. Zudem wird ein Regionalfaktor eingeführt, der in Boom-Regionen zu einer weiteren steuerrelevanten Erhöhung des Immobilienwertes führen wird. Außerdem werden beim Ertragswertverfahren Kostenpauschalen geändert und nur noch konkrete Nachweise dafür akzeptiert, was ebenfalls zu einer Werterhöhung führen wird (Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 14.11.2022)

Bei beabsichtigter Grundbesitzübertragung auf nahe Angehörige sollte deshalb nunmehr überlegt werden, dies noch im laufenden Kalenderjahr zu beurkunden. Notartermine sind derzeit besonders gefragt. Eile ist geboten ! Auf jeden Fall sollte fachkundiger Rat eingeholt werden.

Aktuell sind von der Politik bereits Vorschläge gemacht worden, die erbschaftssteuerlichen Freibeträge zu erhöhen. Das Thema bleibt spannend, wir werden Sie weiter informieren.

HOAI-Mindestsätze sind bei Privatpersonen doch verbindlich!

Der Fall:

Ein Architekt wurde auf Grundlage einer (schriftlichen) Pauschalpreisvereinbarung bei Unterschrei­tung der Mindestsätze mit der umfassenden Planung und Überwachung eines Bauvorhabens be­traut. Nach Abwicklung der beauftragten Leistungsphasen, zuletzt Leistungsphase 8 gemäß § 33 HOAI 2013, hat der Architekt eine Pauschalrechnung vorgelegt. Nach einer Auseinandersetzung mit dem nicht zahlungsbereiten Auftraggeber hat der Architekt eine erheblich höhere Abrechnung nach Mindestsätzen übergeben, deren Berechtigung der Bauherr bestreitet. Der Architekt klagt auf Bezahlung seiner aktuellen Abrechnung. (Anm.: Fall nach häufiger Konstellation gebildet.)

Die Entscheidung:

Grundsätzlich hat die Justiz bis zum Jahr 2019 in vergleichbaren Fällen Architekten (bzw. sonsti­gen nach den Grundsätzen der HOAI abrechnungsberechtigten Personen) auf Grundlage von § 7 Abs. 1, Abs. 5 HOAI 2013 Recht gegeben; nach Abs. 1 dieser Vorschrift wurde die Vereinbarung von Mindest- bzw. Höchstsätzen vorausgesetzt; beim Fehlen einer solchen Honorarvereinbarung wurde nach Abs. 5 unwiderleglich vermutet, dass die jeweiligen Mindestsätze (gemäß § 7 Abs. 1 HOAI 2013) vereinbart sind.

Diese Vermutung hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) durch ein Urteil im Jahr 2019 zerstört. In den Folgejahren haben Teile der bundesdeutschen Justiz von der Anwendung von § 7 Abs. 1 und 5 HOAI 2013 abgesehen; andere Teile haben die Vorschrift (zumindest unter Privaten) weiterhin an­gewendet.

Nach einer völligen Kehrtwende des EuGH in einem Urteil vom 18. Januar 2022 hat der Bundes­gerichtshof (BGH) nunmehr am 2. Juni 2022 entschieden, dass die Regelungen über die Geltung von Mindestsät­zen fortbestehen, also Architekten in vergleichbaren Fällen regelmäßig zur Abrechnung nach Min­destsätzen berechtigt sind.

Folglich können künftig alle Architekten, die für ihre Leistung die HOAI 2013 bzw. frühere Fassun­gen bis zum 30. Dezember 2020 sowie niedrigere Pauschalen vereinbart hatten, statt dieser die Mindestsätze geltend machen. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Architekten bereits eine Schluss­rechnung unterhalb der Mindestsätze gestellt hatten, und der Auftraggeber diese bezahlt hat.

Anmerkung des Fachanwaltes:

Diese Rechtslage gilt nicht für künftige Vertragsverhältnisse: Vereinbaren ein Auftragge­ber und ein Architekt auf Grundlage der aktuellen Fassung der HOAI – ungewöhnlicherweise – eine Honorierung unter dem Mindestsatz, so ist eine solche Vereinbarung gültig.

(Das vollständige Urteil des BGH vom 2. Juni 2022 – Az.: VII ZR 174/19 kann hier nachgelesen werden)

Schadenersatz nach angefochtenem Kaufvertrag umfasst auch Maklerkosten u.a.

Der Fall:

Der Käufer hat wegen arglistiger Täuschung einen notariellen Grundstückskaufvertrag vom 6. Juli 2014 angefochten. Anschließend hat er den Verkäufer klageweise auf die Rückzahlung des Kaufpreises – hilfsweise Zug um Zug gegen Rückübertragung der Immobilie – und auf die Leistung von Schadensersatz, unter anderem hinsichtlich der bezahlten Maklerprovision und der aufgewendeten Grunderwerbsteuer, in Anspruch genommen.

Die Entscheidung:

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das – den Klageanspruch zurückweisende – Berufungsurteil des OLG München im Wesentlichen aufgehoben und den Verkäufer nahezu antragsgemäß verurteilt:

Das Gericht hat festgestellt, dass der Kläger aufgrund der vorvertraglichen arglistigen Täuschung durch den Verkäufer von diesem gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB den Ersatz des Vertrauensschadens fordern kann. Zu den erstattungsfähigen Schadenersatzpositionen gehört neben der Maklerprovision insbesondere die Grunderwerbsteuer; die entsprechenden Aufwendungen waren für den Käufer jeweils nutzlos.

Hinsichtlich der Maklerprovision gilt die Besonderheit, dass diese wegen der nach Anfechtung des Kaufvertrages rechtsgrundlosen Leistung grundsätzlich vom Makler nach den Grundsätzen des Bereicherungsrechts gemäß § 812 Abs. 1 BGB zurückgefordert werden könnte. Damit entsteht das Rückforderungsrecht gegenüber dem Makler neben dem Schadensersatzanspruch gegenüber dem Verkäufer. Der BGH hierzu festgestellt, dass sich der Käufer nicht auf die Geltendmachung seines Anspruches gegenüber einem Dritten verweisen lassen muss. Stattdessen steht es ihm frei, ob er den Schadensersatzpflichtigen oder (bereicherungsrechtlich) den Dritten in Anspruch nimmt. Der Käufer soll also den mit der Verfolgung des weiteren durch die Rechtsverletzung entstandenen Anspruchs verbundenen Aufwand – einschließlich des Insolvenzrisikos bezüglich des Dritten – auf den Schädiger (Verkäufer) verlagern können. Das Gericht begründet dies über den Rechtsgedanken aus § 255 BGB: Der Verkäufer ist in entsprechender Anwendung von § 255 BGB – allerdings nur Zug um Zug gegen die Abtretung von Ansprüchen gegen Dritte – schadensersatzpflichtig.

Anmerkung vom Fachanwalt:

Ausdrücklich erklärt der BGH auch die Ersatzpflichtigkeit des Verkäufers hinsichtlich der aufgewendeten Grunderwerbsteuer; die zwischenzeitlich gegenteilige Auffassung (BGH, Urteil vom 21. März 2002 – Az.: VII ZR 493/00) hat das Gericht aufgegeben.

(BGH, Urteil vom 24. September 2021 – Az.: V ZR 272/19)

Fertighausanbieter: Anspruch auf Besitzübertragung nach Abnahme

Der Fall:

In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Fertighausanbieters befinden sich unter anderem folgende Klauseln:

  1. § 12 Abs. 2 des „Bauvertrages Premium“: Der Bauherr kann im Falle der Bezugsfertigkeit die Abnahme nicht verweigern wegen geringfügiger Nachbesserungsarbeiten oder wegen noch bestehender Unvollständigkeit von Straßen, Wegen und Außenanlagen, vorausgesetzt, der Bezug ist dem Bauherrn zumutbar.
  2. § 12 Abs. 3 des „Bauvertrages Premium“: Erscheint der Bauherr bei Bezugsfertigkeit zum Abnahmetermin nicht, so gilt das Kaufobjekt als beanstandungs- und mängelfrei übergeben, falls er Mängel nicht innerhalb von sechs Werktagen nach Übergabetermin schriftlich gegenüber M… rügt und M… den Bauherrn bei der Einladung zur Übergabe auf diese Rechtsnachfolge aufmerksam gemacht hat.
  3. § 14 Abs. 2 des „Bauvertrages Premium“:Der Bauherr bevollmächtigt die M…, während der Durchführung des Bauvorhabens das Hausrecht auf der Baustelle auszuüben. Bei der Endabnahme wird von der M… das Bauschloss gegen den endgültigen Schließzylinder ausgetauscht. Schlüssel und Besitz werden bei vollständiger Zahlung der Vergütung auf den Bauherrn übertragen.

Der Fertighausanbieter wird von einem gemeinnützigen Verein, der sich für den Verbraucherschutz im Bauwesen einsetzt, wegen der Verwendung der vorgenannten Klauseln, die sich auf Abnahmeregelungen beziehen, (und zahlreichen weiteren Klauseln) auf Unterlassung verklagt.

Die Entscheidung:

Das Gericht hat die zahlreich zur Überprüfung gestellten Klauseln nach jeweiligen Einzelprüfungen mehrheitlich für unwirksam erklärt; zu den vorgenannten Klauseln hat das Gericht festgestellt:

Die Klausel § 12 Abs. 2 zur Abnahmepflicht bei dem Ausstehen von Bauleistungen zu Außenanlagen und Nachbesserungsleistungen ist gemäß § 307 BGB unwirksam: Sie benachteiligt die Kunden unangemessen, da sie dem Leitbild des § 640 Abs.1 BGB widerspricht. Denn die Klausel verpflichtet auch dann zur Abnahme, wenn wesentliche Leistungen ausstehen. Bei kundenfeindlichster Auslegung können „geringfügige Nachbesserungsarbeiten“ auch allein über deren Kosten verstanden werden. Auch mit geringen Kosten behebbare Mängel können jedoch wesentlich für die Benutzung sein.

Die Klausel § 12 Abs. 3 stellt durch die Abnahmefiktion eine unzulässige Klausel dar, weil sie gegen § 308 Nr. 5 BGB verstößt: Denn mit sechs Tagen wird keine der Bedeutung der Erklärungsfrist angemessene Frist benannt, was den Kunden unangemessen benachteiligt. Die Beklagte verfolgt mit der Klausel einzig ihre Interessen, berücksichtigt aber nicht diejenigen ihrer Vertragspartner. Die Unwirksamkeit der Klausel folgt aber vor allem daraus, dass sie in keiner Weise besondere Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und hierdurch von der in § 640 Abs. 1 BGB geforderten Angemessenheit der Zeitbestimmung abweicht, zumal sie verschuldensunabhängig Anwendung finden soll. Schließlich verstößt die Klausel mangels eines zwingenden schriftlichen Warnhinweises auch gegen § 640 Abs. 2 S. 2 BGB; diese Bestimmung ist gemäß § 650 o BGB nicht dispositiv.

Die Klausel § 14 Abs. 2 Satz 1 zum Hausrecht der Beklagten verstößt wegen unzumutbarer Benachteiligung der Kunden gegen § 307 BGB: Zwar wäre die Klausel alleine nicht zu beanstanden, weil die Beklagte ein Interesse an störungsfreien Abläufen auf der Baustelle hat. Jedoch bewirkt die Klausel im Zusammenspiel mit weiteren Regelungen in § 14 Abs. 2 das auch der Bauherr vollständig von der Baustelle ausgeschlossen wird. Denn durch die Regelung zum Bauschloss hat der Bauherr keine Möglichkeit, sich sich einen Überblick über die Tätigkeit der Beklagten, deren Qualität und den Leistungsstand zu verschaffen. Dennoch soll er zwingend die Abschläge – mit erheblichen Folgen bei Verzögerungen – ohne jede Möglichkeit einer Überprüfung des Bautenstandes bezahlen. Bei kundenfeindlichster Auslegung besteht nach diesen Regelungen nicht einmal auf Verlangen ein Zutrittsrecht des Bauherrn.

Die Klausel § 14 Abs. 2 Satz 2 zur Übergabe von Schlüsseln und Besitz erst nach der vollständigen Zahlung ist wegen unangemessener Benachteiligung der Kunden unwirksam: Zum einen verstößt die Klausel gegen § 309 Nr. 2 BGB, da selbst bei berechtigten Zurückbehaltungsrechten des Bauherrn deren Geltendmachung in der Praxis verhindert wird. Zum anderen ist sie gemäß § 307 BGB unwirksam; denn sie verstößt gegen das Leitbild des § 640 BGB zum einen, weil dieser eine Vorleistungspflicht des Bauunternehmers vorsieht, zum anderen, weil trotz der Abnahme dem Bauherrn das Haus und Grundstück weiterhin beliebig lange vorenthalten werden kann, solange die vollständige Kaufpreiszahlung aussteht. Dies würde auch dann gelten, wenn der Bauherr wegen Mängeln oder Restleistungen keine weiteren Abschläge mehr zahlen muss oder es nur um geringste Beträge geht. Bei kundenfeindlichster Auslegung kann die Beklagte nach der Klausel den Bauherrn sogar dann weiterhin ausschließen, wenn sich eine Überzahlungssituation wegen (streitiger) Mängel ergibt. Die berechtigten Interessen des Bauherrn werden eklatant verletzt und der Beklagten wird ein Druckmittel in die Hand gegeben, mit dem sie den Kunden praktisch willfährig machen kann. Der Bauherr ist bereits wegen der finanziellen Doppelbelastung aus Darlehensabtrag für den Baukredit und die Mietbelastung der bisherigen Wohnung gezwungen eine möglichst baldige Übergabe des Hauses zu erlangen. Die Wichtigkeit der zügigen Bauausführung haben die Parteien dem Vertrag mit der verpflichtend vereinbarten Bauzeit auch ausdrücklich zum Inhalt des Vertrages gemacht.

Anmerkung vom Fachanwalt:

Eine rechtliche Überprüfung der allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Fertighausanbieters ist vor dem Vertragsschluss ratsam. Wegen der Möglichkeit der Unwirksamkeit einer Abnahmeerklärung (dann keine Verjährung von Gewährleistungsansprüchen) kann eine solche Überprüfung noch Jahre nach der Abnahme empfehlenswert sein.

(LG Halle, Urteil vom 21. Mai 2021 – Az.: 4 O 208/19)

Die Anmeldung eines Schadens ist nicht ausreichend zur Verjährungshemmung

Folgenden interessanten Fall hat am 20.07.2018 das LG Karlsruhe entschieden:

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) verklagt einen Bauträger wegen Mängeln auf Zahlung eines Kostenvorschusses zur Mängelbeseitigung. Zuvor hatte die WEG ohne Mehrheitsbeschluss ein selbständiges Beweisverfahren über diverse Mängel durchgeführt. Die Verjährungshemmung durch das Beweisverfahren endete etwa sechs Wochen vor der Klageerhebung. Kurz zuvor hatte die WEG fernmündlich Gewährleistungsansprüche beim Anwalt des Bauträgers angemeldet; dieser hat lediglich erklärt, er müsse vor etwaigen Verhandlungen seine Bevollmächtigung klären. Unmittelbar darauf ließ der Bauträger per Telefax erklären, er halte an seiner Ansicht aus dem Beweisverfahren fest, wonach ihn keine Verantwortung für die Mängel treffe.

Die Entscheidung:

Durch das Landgericht Karlsruhe wurde richtig festgestellt, dass die Ansprüche der WEG verjährt sind und Klage erfolglos ist, da diese erst nach der möglichen Verjährungshemmung durch das Beweisverfahren erhoben wurde. Das Telefonat zwischen den Verfahrensbevollmächtigten kurz vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist nach § 204 Abs. 2 BGB hat das Gericht nicht als Verhandeln im Sinne von § 203 BGB gelten lassen. Denn die für den Bauträger erfolgte Erklärung, der Anwalt müsse zunächst seine Bevollmächtigung klären, stellt keinen Meinungsaustausch dar, der eine Hemmung nach sich ziehen kann. Indem der Bauträger dann an seiner bisherigen Auffassung festgehalten und jegliche Verantwortung für Mängel abgelehnt hat, liegt kein Verhandeln durch Meinungsaustausch vor; es fehlt also an einem „Meinungsaustausch im Sinne eines Überprüfens“. Folglich liegt kein Verhandeln im Sinne von § 203 BGB vor, so dass eine Verjährungshemmung durch das Telefonat ausscheidet.

Im übrigen krankte die Klage der WEG an dem formalen Fehler, dass für das vorangegangene selbständige Beweisverfahren kein Mehrheitsbeschluss vorgelegt werden konnte. Ohne eine entsprechende Aktivlegitimation (fehlende Prozessstandschaft der WEG) konnte aber für diese durch die Einleitung des Beweisverfahrens (§ 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB) ohnehin keine Hemmung der Verjährung bewirkt werden.

Das Urteil ist rechtskräftig.

(LG Karlsruhe, Urteil vom 20. Juli 2018 – Az.: 16 O 320/17)

und nochmals: Baugrundrisiko eindeutig regeln!

Die richtige Fundamentierung eines Hauses hängt unter anderem wesentlich von der Beschaffenheit des Baugrundes ab. Aus diesem Grunde ist das sogenannte Baugrundrisiko von Beginn an rechtssicher zu regeln. Der Begriff Baugrundrisiko erfasst die Ungewissheit, dass die Bodenbeschaffenheit entweder unklar ist oder sich im Nachhinein anders als erwartet darstellt.

In der Baupraxis wird vermehrt der Versuch unternommen, den Auftraggeber, zumeist den Bauherren, grundsätzlich das Baugrundrisiko tragen zu lassen; dieser Ansatz dürfte auf der Mitwirkungsobliegenheit eines Bauherren im Rahmen von § 642 BGB beruhen, einen bebaubaren Baugrund bereitzustellen. Eine solch pauschale Risikozuweisung ist aber nicht zutreffend, was der Bundesgerichtshof mehrfach, so schon in seinem Urteil vom 20. August 2009 – Az.: VII ZR 205/07, bestätigt hat.

Stattdessen sind Baugrundrisiken im Vorfeld einzugrenzen und Verantwortlichkeiten festzulegen, was häufig verabsäumt wird: Dies kann bei schwierigen Bodenverhältnissen zu Streitfällen führen. Denn der Auftragnehmer verpflichtet sich mit Abschluss des Bauvertrages grundsätzlich zur Herbeiführung des Werkerfolges; diesen muss auch dann gewährleisten, wenn Baugrund und Bodenverhältnisse nicht den Erwartungen entsprechen; zu erwartende Bodenverhältnisse (und damit auch Abweichungen, mit denen im Vorfeld zu rechnen war) muss der Auftragnehmer – auch ohne ausdrückliche vertragliche Beschreibung – bewältigen.

Zulässig ist eine vertragliche Vereinbarung, dass der Unternehmer ein Risiko dahingehend übernimmt, dass der Zustand einer Sache oder eines Bodens nicht bekannt ist. Der Unternehmer wird solche erkennbare Risiken im Vorfeld einzupreisen haben. Soweit der Auftraggeber aber – etwa durch ein eingeholtes Bodengutachten – über den Baugrund Bescheid weiß, hat er seinen Auftragnehmer hierüber zu informieren und darf diesen keinem (dann unkalkulierbaren) Risiko aussetzen.

Weil sich mit einer einfachen Bodenuntersuchung bereits viele Risiken minimieren lassen, ist es dringend zu empfehlen, das Baugrundrisiko nicht über allgemeine Grundsätze und Vertragsauslegungen bewältigen zu müssen, sondern je nach Bauvorhaben individuelle Regelungen zu treffen.

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