Modernisierung von Abstammungs- und Kindschaftsrecht noch in 2024 geplant

Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann hat Mitte Januar 2024 zwei Eckpunktepapiere zur Modernisierung des Familienrechts veröffentlicht: ein Eckpunktepapier zur Reform des Kindschaftsrechts mit Vorschlägen für neue Regeln im Sorge-, Umgangs- und Adoptionsrecht sowie ein Eckpunktepapier zur Reform des Abstammungsrechts.

Insbesondere Kinder in Trennungsfamilien, Patchwork- und Regenbogenfamilien sowie nichtehelichen Lebensgemeinschaften sollen von den vorgeschlagenen Neuregelungen profitieren. Auf der Homepage des Bundesjustizministerium finden sich dazu folgenden Angaben, die ich als Fachanwältin gerne zur weiteren Lektüre empfehle:

I. Das Eckpunktepapier zur Reform des Abstammungsrechts

Das Abstammungsrecht bestimmt, wer die rechtlichen Eltern eines Kindes sind. Es soll in verschiedener Hinsicht fortentwickelt werden. Bewährte Grundsätze des geltenden Rechts bleiben dabei erhalten. So soll ein Kind auch künftig nicht mehr als zwei rechtliche Eltern haben können (Zwei-Eltern-Prinzip). Auch wird die Frau, die das Kind geboren hat, auch künftig stets rechtliche Mutter des Kindes sein. Ferner bleibt es dabei, dass rechtlicher Vater auch künftig ist, wer bei Geburt mit der Mutter verheiratet ist, wer die Vaterschaft anerkennt oder wessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt worden ist.
Vorgesehen sind insbesondere folgende Neuerungen:

  • Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren und verschiedengeschlechtlichen Paaren: Wenn ein Kind in eine Partnerschaft von zwei Frauen geboren wird, soll die Partnerin der Frau, die das Kind geboren hat, künftig ebenfalls ohne Adoptionsverfahren Mutter des Kindes werden können. Für sie soll insoweit das Gleiche gelten wie bei verschiedengeschlechtlichen Paaren für den männlichen Partner der Frau, die das Kind geboren hat. Sind beide Frauen verheiratet, soll die Ehefrau der Frau, die das Kind geboren hat, im Zeitpunkt der Geburt kraft Gesetzes ebenfalls Mutter des Kindes werden. Außerdem soll es möglich sein, durch Anerkennung der Mutterschaft rechtliche Mutter zu werden – so wie auch ein Mann die Vaterschaft für ein Kind anerkennen kann.
  • Mehr Rechtssicherheit für Samenspenden durch Elternschaftsvereinbarungen: Vor Zeugung eines Kindes soll vereinbart werden können, wer neben der Frau, die das Kind geboren hat, Vater oder Mutter des Kindes werden soll. Dadurch soll insbesondere bei privaten Samenspenden (sog. Becherspenden) frühzeitig eine rechtssichere Eltern-Kind-Zuordnung ermöglicht werden.
  • Stärkung der Rechtsposition des leiblichen Vaters: Ein leiblicher Vater, der als rechtlicher Vater Verantwortung für sein Kind übernehmen will, soll durch folgende Änderungen in seiner Rechtsposition gestärkt werden.
    Sperrwirkung eines anhängigen Feststellungsverfahrens: Solange ein gerichtliches Verfahren läuft, in dem ein Mann seine Vaterschaft feststellen lassen will, soll grundsätzlich kein anderer Mann die Vaterschaft für dieses Kind anerkennen können.
    Kein kategorischer Ausschluss der Anfechtung bei sozial-familiärer Beziehung: Wer glaubt, leiblicher Vater zu sein, soll die Vaterschaft eines anderen Mannes künftig auch dann anfechten können, wenn eine sozial-familiäre Beziehung des Kindes zu dem anderen Mann besteht. Eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater soll die Anfechtung der Vaterschaft insoweit nicht mehr kategorisch ausschließen. Vielmehr soll das Gericht in einem solchen Fall künftig im Einzelfall prüfen, ob das Interesse an der Anfechtung der Vaterschaft das Interesse an dem Fortbestand der bisherigen Zuordnung überwiegt. Vorrang soll im Zweifel das Interesse am Erhalt der gelebten Familie haben.
    Anerkennung der Vaterschaft mit Zustimmung auch des Ehegatten der Mutter: Erwartet eine verheiratete Frau ein Kind von einem anderen Mann als ihrem Ehemann (z.B. von ihrem neuen Lebensgefährten), soll der andere Mann künftig einfacher rechtlicher Vater werden können, wenn die Mutter und ihr Ehemann einverstanden sind. Der leibliche Vater soll die Vaterschaft künftig bis spätestens acht Wochen nach der Geburt des Kindes anerkennen können, ohne dass ein Anfechtungsverfahren durchzuführen ist. Einer Scheidung der Ehe soll es dazu nicht mehr zwingend bedürfen.
  • Stärkung des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung: Kinder sollen es künftig einfacher haben, ihr Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung zu verwirklichen. Dafür sind folgende Änderungen vorgesehen.
    Statusunabhängiges Feststellungsverfahren: Künftig soll es möglich sein, durch gerichtlichen Beschluss feststellen zu lassen, ob eine Person leiblicher Vater eines Kindes ist – ohne dass sich zugleich die rechtliche Elternschaft ändert; das Verfahren wird gleichrangig neben den Statusverfahren (Anfechtung bzw. Feststellung der rechtlichen Vaterschaft) zugänglich sein. Ein Kind kann so feststellen lassen, wer sein leiblicher Vater ist, ohne dazu die rechtliche Bindung zu seinem rechtlichen Vater kappen zu müssen.
  • Ausbau des Samenspenderregisters zu einem allgemeinen Spenderregister: Neben offiziellen Samenspenden (also Samenspenden aus einer Samenbank) sollen dort auch private Samenspenden und Embryonenspenden erfasst werden können.

Das Eckpunktepapier zur Reform des Abstammungsrechts ist hier abrufbar. Eine Kurzfassung ist hier abrufbar. Häufig gestellte Fragen zu dem Papier werden hier beantwortet.

II. Das Eckpunktepapier zur Reform des Kindschaftsrechts

Das Eckpunktepapier zur Reform des Kindschaftsrechts enthält Vorschläge zur Reform des Sorge- und Umgangsrechts sowie des Adoptionsrechts. In nichtehelichen Lebensgemeinschaften, Trennungs-, Patchwork- und Regenbogenfamilien soll es einfacher werden, Kinder partnerschaftlich zu betreuen. Eltern sollen einfacher Vereinbarungen über Sorge und Umgang schließen können und Dritten sorgerechtliche Befugnisse oder Umgangsrechte einräumen können. Kinder sollen in ihrer Rechtsposition gestärkt werden. Der Schutz vor häuslicher Gewalt in Sorge- und Umgangsverfahren soll verbesset werden. Außerdem soll das Adoptionsrecht liberalisiert werden.

Konkret vorgeschlagen werden insbesondere folgende Neuerungen:

  • Wechselmodell: Das Wechselmodell, das viele Eltern nach einer Trennung schon jetzt leben, soll erstmalig gesetzlich geregelt werden: Es soll klargestellt werden, dass das Familiengericht in einem Umgangsverfahren (nach Trennung) eine Betreuung durch beide Elternteile, ggf. auch eine paritätische Betreuung anordnen kann – wenn dies dem Kindeswohl am besten entspricht.
  • Sorgerecht in nichtehelichen Lebensgemeinschaften: Ein Vater, der mit der Mutter zusammenwohnt, aber nicht verheiratet ist, soll künftig einfacher das Sorgerecht erlangen können. Wenn die Mutter nicht widerspricht, soll eine einseitige, beurkundete Erklärung ausreichen.
  • Vereinbarungen zwischen Eltern über das Sorgerecht: Eltern sollen mehr Autonomie in Bezug auf ihr Sorgerecht erhalten: Sie sollen die Alleinsorge eines Elternteils vereinbaren können; auch eine Übertragung der elterlichen Sorge von einem Elternteil auf den anderen soll leichter möglich sein.
  • „Kleines Sorgerecht“: Die Sorgeberechtigten (im Regelfall also die Eltern) sollen künftig durch Vereinbarung bis zu zwei weiteren Personen – zum Beispiel ihren jeweils neuen Partnern – sorgerechtliche Befugnisse einräumen können.
  • Vereinbarungen über das Umgangsrecht mit Dritten: Mit Dritten sollen die sorgeberechtigten Eltern künftig auch Vereinbarungen über den Umgang mit dem Kind schließen können.
  • Recht von Kindern auf Umgang: Kinder sollen ein Recht auf Umgang mit Großeltern und Geschwistern, mit anderen Bezugspersonen sowie mit leiblichen, nicht rechtlichen Elternteilen erhalten.
  • Mitentscheidungsbefugnis von Kindern: Kinder sollen ab dem Alter von 14 Jahren im Sorge- und Umgangsrecht künftig ausdrückliche Mitentscheidungsbefugnisse haben. So sollen sie z.B. eine erneute Entscheidung über eine bereits getroffene Umgangsregelung beantragen können.
  • Schutz vor häuslicher Gewalt: Der Schutz vor häuslicher Gewalt im Sorge- und Umgangsrecht soll durch folgende Anpassungen des Gesetzes verbessert werden:
    Ermittlungspflicht: Es soll klargestellt werden, dass das Familiengericht in Umgangsverfahren Anhaltspunkten für häusliche Gewalt gegenüber dem Kind und/oder dem anderen Elternteil und deren Folgen umfassend und systematisch nachgehen und eine Risikoanalyse vornehmen muss.
    Sorge- und Umgangsrecht: Bei Partnerschaftsgewalt soll ein gemeinsames Sorgerecht regelmäßig ausscheiden. Es soll klargestellt werden, dass das Familiengericht den Umgang beschränken oder ausschließen kann, wenn dies erforderlich ist, um eine konkrete Gefährdung des betreuenden Elternteils durch einen gewalttägigen Ex-Partner abzuwenden.
  • Liberalisierung des Adoptionsrechts: Auch Paare, die nicht verheiratet sind, sollen gemeinsam ein Kind adoptieren können; bisher ist dies nur verheirateten Paaren möglich. Verheiratete Personen sollen künftig auch allein ein Kind adoptieren können.

Das Eckpunktepapier zur Reform des Kindschaftsrechts ist hier abrufbar. Eine Kurzfassung ist hier abrufbar. Häufig gestellte Fragen zu dem Papier werden hier beantwortet.

Auf Grundlage der beiden Eckpunktepapiere wird das Bundesministerium der Justiz nunmehr Gesetzentwürfe für die Reform des Kindschaftsrechts und die Reform des Abstammungsrechts erarbeiten. Die Gesetzentwürfe sollen noch im ersten Halbjahr 2024 vorgelegt werden.“

Erfolglose Klagen wegen vermeintlicher Impfschäden

Immer wieder versuchen vermeintlich Impfgeschädigte, Ansprüche wegen Schädigungen nach einer „Corona-Impfung“ gerichtlich durchzusetzen. Von zwei weiteren gescheiterten Versuchen aus jüngster Vergangenheit kann ich als Fachanwalt für Medizinrecht an dieser Stelle berichten:

Zunächst hatte das LG Düsseldorf über Klagen gegen Impfstoff-Hersteller zu entscheiden. Begehrt wurde in diesen Verfahren Schadensersatz sowie Schmerzensgeld wegen behaupteter gesundheitlicher Beschwerden nach Corona-Impfungen aufgrund fehlender hinreichender Darlegung einer negativen Nutzen-Risiko-Bilanz für den Impfstoff durch die Betroffenen. Die Klagen wurden von dem Gericht abgewiesen und dabei die ausreichende Hersteller-Information über das Produkt bestätigt.

Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) habe im Rahmen ihrer Prüfung eine positive Nutzen-Risiko-Bilanz für den Impfstoff festgestellt. Aus den wiederholten Zulassungen durch die EMA folge, dass die Hersteller-Angaben inhaltlich nicht zu beanstanden seien und deshalb auch keine Patientenansprüche bestehen können.

(Urteile des LG Düsseldorf vom 16.11.2023, Az. 3 O 141/22, 3 O 151/22, 3 O 60/23 und 3 O 164/22; das Urteil zum Az. 3 O 141/22 kann durch Anklicken hier nachgelesen werden)

Sodann musste eine weitere Klage wegen eines mutmaßlichen Schadens infolge einer SARS-CoV-2-Impfung von dem LG Rottweil entschieden und in dem konkreten Falle abgewiesen werden. In dem entschiedenen Fall hatte ein Mann geltend gemacht, infolge einer Corona-Impfung auf dem rechten Auge nahezu vollständig erblindet zu sein, und von dem Impfstoff-Hersteller Biontech Schmerzensgeld iHv € 150.000,00 verlangt. Das Gericht konnte jedoch weder feststellen, dass im zu entscheidenden Fall schädliche Nebenwirkungen insgesamt den Nutzen des Arzneimittels überstiegen, noch dass etwa in der Packungsbeilage nicht ausreichend auf die schädlichen Nebenwirkungen hingewiesen worden wäre.

(Auch dieses Urteil des LG Rottweil vom 06.12.2023 zum Az. 2 O 325/22 kann durch Anklicken hier vollständig gelesen werden)

Radiologe beschreibt Nebenbefund nicht – Gericht erkennt Behandlungsfehler

Eine Radiologin bzw. ein Radiologe, der bzw. dem eine Person mit der Befundbeschreibung „Kopfschmerzen“ zum MRT überwiesen wird, darf auch von einem sichtbaren Nebenbefund außerhalb des Gehirnschädels nicht die Augen verschließen. Ist sie/er aus medizinischer Sicht nicht selbst verpflichtet, diesen Zufallsbefund abzuklären, hat sie/er den Befund in den Arztbrief an die überweisende Behandlerin oder den überweisenden Behandler aufzunehmen. Unterbleibt diese Mitteilung, weil die Radiologin bzw. der Radiologe einen erkennbaren Nebenbefund übersieht, stellt dies einen Diagnosefehler dar.

Das hat jüngst das OLG Dresden entschieden. Danach können sich Radiologinnen und Radiologen, denen eine Patientin bzw. ein Patient mit einer bestimmten Fragestellung zur weiteren Untersuchung überwiesen wird, aufgrund der gegenüber den Patientinnen und Patienten obliegenden Fürsorgepflichten nicht auf den Auftragsumfang beschränken, sondern haben für die Auswertung eines Befundes alle Auffälligkeiten zur Kenntnis und zum Anlass für gebotene Maßnahmen zu nehmen, die sie aus berufsfachlicher Sicht unter Berücksichtigung der in dem betreffenden Fachbereich vorausgesetzten Kenntnisse und Fähigkeiten sowie der Behandlungssituation feststellen müssen.

Das bedeutet, was ich insoweit als Fachanwalt hervorheben darf: Sog. „Zufallsbefunde“ dürfen gegenüber der oder dem Überweisenden nicht unerwähnt bleiben und müssen klar und deutlich kommuniziert werden.

Das Oberlandesgericht hat in seinem Urteil insoweit zwar einen einfachen Diagnoseirrtum des Arztes angenommen, der Klage aber wegen fehlenden Kausalitätsnachweis den Schaden betreffend im Ergebnis ebenso wie das ersterkennende Gericht abgewiesen, konkret die Berufung des Patienten zurückgewiesen.

(Das gesamte, erst jetzt veröffentliche Urteil des OLG Dresden vom 10.10.2023 zum Az. 4 u 634/23 kann durch Anklicken hier nachgelesen werden).

Wirksame Erbeinsetzung eines behandelnden Arztes

Die Erbeinsetzung eines behandelnden Arztes führt nicht zur (Teil-) Nichtigkeit eines Testaments. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem Verfahren betreffend die Auslegung letztwilliger Verfügungen auf eine Beschwerde hin entschieden: Einem Erbscheinsantrag u.a. des behandelnden Arztes wurde damit stattgegeben.

Als Fachanwalt für Erbrecht stelle ich Ihnen diese Entscheidung hiermit vor: Die Erblasserin hatte ihren behandelnden Arzt in mehreren Testamenten, zuletzt in einem Testament aus dem Jahr 2021, neben weiteren Freunden und Verwandten zum Miterben eingesetzt. Das Testament aus dem Jahr 2021 hatte sie ihrem Arzt vorgelegt und ihn um Bestätigung ihrer Testierfähigkeit gebeten. Der Arzt hatte einen entsprechenden Vermerk auf dem Testament angebracht.

Nach dem Tod der Erblasserin beantragen nunmehr der behandelnde Arzt und zwei weitere Miterben die Erteilung eines Erbscheins auf der Grundlage dieses Testaments. In dem Erbscheinsverfahren hatte einer der übrigen Miterben das Testament mit der Begründung angefochten, es liege ein Verstoß gegen § 32 der Berufsordnung der Hess. Ärztekammer (§ 32 BO-Ä) vor. Gemäß § 32 Abs. 1 BO-Ä ist es „Ärztinnen und Ärzten nicht gestattet, von Patientinnen und Patienten (…) Geschenke oder andere Vorteile (…) sich versprechen zu lassen oder anzunehmen, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird“. Des Weiteren sei die herzkranke und pflegebedürftige Erblasserin testierunfähig gewesen.

Der Miterbe hatte seinerseits einen Erbscheinsantrag auf der Grundlage eines vorangegangenen Testaments gestellt. Das Nachlassgericht hatte beide Erbscheinsanträge zurückgewiesen. Das Testament aus dem Jahr 2021 sei betreffend die Erbeinsetzung des behandelnden Arztes wegen eines Verstoßes gegen § 32 BO-Ä teilnichtig, so dass keiner der beiden Erbscheinsanträge zutreffend sei.

Vor dem OLG hatte die hiergegen gerichtete Beschwerde u.a. des behandelnden Arztes Erfolg. Der Arzt sei wirksam als Miterbe eingesetzt worden, stellte das OLG fest. Die berufsständische Regelung in der Satzung der Landesärtzekammer stelle zwar im Ausgangspunkt ein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB dar. Eine verfassungskonforme Auslegung ergebe jedoch, dass ein etwaiger Verstoß des Arztes nicht zur Nichtigkeit der Testierung durch den Erblasser führe. Anders als vergleichbare Verbotsgesetze für den Bereich der Pflege in Heimen (früher § 14 HeimG, heute § 6 HBPG) deren Schutzbereich auch den Testierenden erfasse, richte sich § 32 BO-Ä in erster Linie an den behandelnden Arzt als Mitglied der Ärztekammer. § 32 BO-Ä enthalte demnach kein an den Testierenden gerichtetes Testierverbot. „Eine solche Auslegung würde einen unangemessenen Eingriff in die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Testierfreiheit darstellen“, begründete der Senat weiter.

Konkrete Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit der Erblasserin lägen ebenfalls nicht vor.

(Das vollständige Urteil des OLG Frankfurt vom 21.12.2023 zum Az.: 21 W 91/23 können Sie durch Klicken hier nachlesen)

Wer ist für die Grabpflege verantwortlich?

Ein interessantes erbrechtliches Urteil gibt es von dem Amtsgericht (AG) München aus dem Oktober 2023 zu berichtet: Es hatte sich mit der Frage zu befassen, inwieweit eine testamentarisch angeordnete Verpflichtung zur Grabpflege durch Erbschaft auf andere übergehen kann.

Kläger vor dem Gericht war der einzige Sohn und Alleinerbe einer im Jahr 2018 verstorbenen Erblasserin. Sie wurde auf eigenen Wunsch in der Familiengrabstätte beigesetzt. Die Erblasserin hatte in ihrem Testament ein Vermächtnis zugunsten ihrer Nichte ausgesetzt. Mit diesem Vermächtnis hat sie ihrer Nichte einen Geldbetrag in Höhe von € 8.000,00 zugedacht. Das Vermächtnis wurde mit dem Zusatz „für die Grabpflege“ versehen.

Kläger verklagt Erben der Vermächtnisnehmerin auf Erfüllung der Auflage

Die mit dem Vermächtnis bedachte Nichte verstarb im Jahr 2021. Der Sohn der Erblasserin vertrat die Auffassung, dass die Verpflichtung zur Grabpflege auf die Erben der Nichte übergegangen sei. Mit dem Tod der Nichte sei das Vermächtnis, einschließlich der Verpflichtung zur Grabpflege auf die Erben der Nichte übergegangen.

Kläger fordert Grabpflege bis zum Jahr 2030

Die Erben der Nichte erklärten sich bereit, das Grab bis zum 30.6.2026 zu pflegen. Dies genügte dem Kläger nicht. Da die Erben der Verstorbenen den Abschluss eines Grabpflegevertrages über dieses Datum hinaus ablehnten, verklagte der Kläger die Erben auf Übernahme der Grabpflege bis zum Jahr 2030.

Vermächtnis mit zulässiger Auflage der Grabpflege

Das AG folgte der Argumentation des Klägers insoweit, als die testamentarische Verfügung der Erblasserin auch nach Auffassung des AG als Vermächtnis zugunsten ihrer Nichte auszulegen ist, verbunden mit der Auflage, die Grabpflege für das Familiengrab zu übernehmen, §§ 1939,1940 BGB.

Auflagen können auf Erben übergehen

Eine Auflage ist nach § 1940 BGB dadurch gekennzeichnet, dass Dritte grundsätzlich kein Recht auf die Leistung haben. Nach § 2194 BGB kann der Erbe jedoch verlangen, dass die Verpflichteten die Auflage erfüllen. Nach Auffassung des Gerichts ist die Grabpflegeverpflichtung jedoch nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 BGB) auf die Erben der Nichte übergegangen. Grundsätzlich war aber nach der gerichtlichen Entscheidung ein Übergang durch Gesamtrechtsnachfolge denkbar.

Keine Erbrechtsnachfolge bei höchstpersönlichen Auflagen

Nach Auffassung des Amtsgerichtes setzt ein Übergang der Verpflichtung voraus, dass die Auflage keinen höchstpersönlichen Charakter hat und nicht nur die beschwerte Person treffen soll.

Das Gericht legte die Verpflichtung zur Grabpflege jedoch als höchstpersönlich aus. Mit der Verfügung habe die Erblasserin zum Ausdruck gebracht, dass ihre Nichte gerade wegen der familiären Bindung und ihrer besonderen Beziehung zum Familiengrab die Grabpflege übernehmen solle. Ein Wille der Erblasserin, auch ihr unbekannte Erben ihrer Nichte hieran zu binden, sei nicht erkennbar. Es gebe auch keine Anhaltspunkte für einen diesbezüglichen mutmaßlichen Willen der Erblasserin.

Klage abgewiesen

Das Amtsgericht wies die Klage auf Fortführung der Grabpflege ab. Im Ergebnis handelte es sich nach der Bewertung des Gerichtes bei der Auflage zur Grabpflege um eine höchstpersönliche Aufgabe, die nicht gemäß § § 1922 ff. BGB auf die Beklagten übergegangen ist, darauf darf ich als Fachanwalt hinweisen.

(Das komplette Urteil des AG München vom 27.10.2023 zum Az. 158 C 16069/22 kann durch Anklicken hier nachgelesen werden.)

Anspruch auf Erstattung von Kosten für eine Kinderwunschbehandlung durchgesetzt!

Eine gesetzlich versicherte Frau hat einen Anspruch aus § 13 Abs. 3 SGB V auf die Erstattung der Hälfte der bei ihr für eine Kinderwunschbehandlung angefallenen Kosten, auch wenn die private Krankenversicherung ihres Ehemanns bereits die Hälfte der angefallenen Kosten übernommen hat.

Das Gesetz trifft in § 27a SGB V keine Regelung dazu, ob und nach welchen Gesichtspunkten bei „gemischt versicherten“ Paaren ein Ausschluss, ein Ausgleich oder eine Kostenteilung der jeweiligen Ansprüche zwischen privater Krankenversicherung und gesetzlicher Krankenkasse stattfindet. Ehegatten, die unterschiedlichen Krankenversicherungssystemen angehören, steht bei sich überschneidenden Ansprüchen auf medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft gegen ihre gesetzliche und private Krankenversicherung ein Wahlrecht zu.

Die vollständige Erfüllung des Anspruchs gegen die private Krankenversicherung lässt auch den gleichgerichteten, sich inhaltlich überschneidenden Anspruch gegen die gesetzliche Krankenversicherung erlöschen. Von einer inhaltlichen Überschneidung der Ansprüche ist jedoch nur auszugehen, wenn anderenfalls eine Überkompensation einträte, weil sich Leistungen unterschiedlicher Krankenversicherungsträger hinsichtlich deckungsgleicher Ansprüche kumulieren.

Haben Eheleute aber gegen den privaten Krankenversicherer in Ausübung ihres Wahlrechts nur eine Kostenerstattung in Höhe der hälftigen Behandlungskosten beansprucht und erhalten, erlischt der Anspruch auf ebenfalls hälftige Kostenerstattung gegen die gesetzliche Krankenkasse nicht. Die Ansprüche gegen private Krankenversicherung und gesetzliche Krankenkasse sind dann nicht deckungsgleich, sondern ergänzen einander. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass der Anspruch gegen die Krankenkasse subsidiär gegenüber Ansprüchen des anderen Ehegatten in einem anderen Krankenversicherungssystem wäre.

Das hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 29.08.2023 zum Az. B 1 KR 13/22 R entschieden. Das Urteil ist noch nicht vollständig abgesetzt, weitere Einzelheiten können aber durch Anklicken hier der Terminsvorschau und dem Terminsbericht des Gerichtes entnommen werden.

Schwierige Rechtsfragen muss der Architekt nicht beantworten können!

Ein jetzt erst in einer baurechtlichen Fachzeitschrift veröffentlichtes Urteil des OLG Köln ist zwar schon mehr als zwei Jahre alt, dennoch aber bestens geeignet, die Grundsätze der Architektenhaftung darzustellen.

Der Fall:

Ein Architekturbetrieb wurde unter anderem mit der Bauleitung und Bauüberwachung hinsichtlich der Errichtung eines Helikopterdachlandeplatzes auf einem mehrstöckigen Gebäude beauftragt. Die Auftraggeberin hat durch das Architekturunternehmen berechnete und mitgeteilte Mengenmehrungen bestritten und behauptet, es sei eine Anpassung der Einheitspreise auf Basis der Kalkulation nach § 2 Abs. 3 VOB/B vorzunehmen gewesen. Auch es seien die Stahlmassen fehlerhaft berechnet worden, was durch den Architekturbetrieb zu berücksichtigen gewesen wäre. Es seien daher an das Bauunternehmen überhöhte Abschlagszahlungen ausgeführt worden.

Der Architekturbetrieb hat unter anderem eingewendet, die Berechnungen seien korrekt ausgeführt worden. Insbesondere hätten keine über den erbrachten Leistungsumfang hinausgehende Überprüfungen der Abschlagsrechnungen erfolgen müssen.

Die Auftraggeberin hat das Architekturunternehmen gerichtlich auf Leistung von Schadensersatz wegen zu viel gezahlter Abschlagsleistungen in Anspruch genommen.

Die Entscheidung:

Das Berufungsgericht, das OLG Köln, hat die erstinstanzliche Klageabweisung im Wesentlichen bestätigt. Insbesondere hat das Gericht erklärt, dass die Frage einer Abgrenzung zwischen einer Mengenabweichung und einer Ausführungsvereinbarung eine Rechtsfrage darstellt. Bei der konkret vorliegenden schwierigen Sach- und Rechtslage würden die Anforderungen an das Maß der im Rahmen eines Architektenvertrages bei der Prüfung einer Abschlagsrechnung nach § 276 BGB anzuwendenden Sorgfalt erheblich überspannt werden, wollte man dem Architekten einen Sorgfaltsverstoß deswegen vorwerfen, weil er die Sach- und Rechtslage unzureichend erfasst bzw. beantwortet hat. Das Gericht hat die nachfolgenden Grundsätze herausgearbeitet, die auch in vergleichbaren Fällen Anwendung finden können:

  1. Ein mit der Bauüberwachung beauftragter Architekt ist verpflichtet, Abschlagsrechnungen von Bauunternehmen auf die fachtechnische und rechnerische Richtigkeit zu überprüfen sowie darauf, ob die abgerechneten Leistungen erbracht sind und ob sie der vertraglichen Vereinbarung entsprechen.
  2. Soweit ein Architekt im Zuge der Rechnungsprüfung in einer komplexeren Konstellation eine schwierige Rechtsfrage nur unzureichend oder nicht richtig erfasst, liegt hierin keine schuldhafte Pflichtverletzung.
  3. Beim Auftraggeber entsteht im Falle eines Fehlers des Architekten bei der Rechnungsprüfung ein Schaden nicht erst dann, wenn das Scheitern eines Rückzahlungsbegehren gegenüber dem Unternehmer feststeht. Dagegen kann der Auftraggeber den Architekten dann unmittelbar in Anspruch nehmen, dies allerdings nur Zug um Zug gegen Abtretung des betreffenden Anspruches gegenüber dem Bauunternehmer.
  4. Eine auftragslos ausgeführte Leistung ist im VOB-Bauvertrag unverzüglich dem Auftraggeber anzuzeigen. Unzureichend ist grundsätzlich eine Anzeige an den bauüberwachenden Architekten.
  5. Die Prüfung einer Abschlags- oder Schlussrechnung durch den bauleitenden Architekten begründet kein nachträgliches Anerkenntnis hinsichtlich einer auftragslos erbrachten Leistung. Ein solches Anerkenntnis liegt auch nicht darin, dass der Auftraggeber das in veränderter Weise hergestellte Werk hinnimmt.

Folgerichtig wurde die Berufung des Auftraggebers als unbegründet zurückgewiesen. Eine Revision wurde nicht zugelassen, mithin ist das Urteil rechtskräftig geworden.

(Das Uurteil des OLG Köln vom 16. April 2021 zum Az.: V19 U 56/20 kann durch Anklicken hier nachgelesen werden)

Hohe Wellen durch BSG-Urteil zur Sozialversicherung von ‚Notärzten‘

Poolärzte, die in die Notdienstpläne der Kassenärztlichen Vereinigungen eingebunden sind, unterliegen der Sozialversicherungspflicht. Dies gilt besonders, wenn sie Räume und Personal der KV nutzen. Das hat das Bundesozialgericht (BSG) mit Urteil vom 24.10.2023 zum Az. B 12 R 9/21 R entschieden. Und zahlreiche ärztliche Notdienstpraxen jedenfalls in Baden-Württemberg haben bereits seit dem Folgetag nach Ankündigung der Kassenärztlichen Vereinigung geschlossen.

In dem vom BSG entschiedenen Fall klagte ein Zahnarzt, der nach Auffassung des Gerichtes in die Organisation des Notdienstes der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg eingegliedert gewesen ist und seine Leistungen auch nicht selbst abgerechnet hat.

Der Zahnarzt hatte 2017 seine Praxis verkauft und ist seitdem nicht mehr zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen gewesen. 2018 und 2019 beteiligte er sich aber noch am von der KZV organisierten Notdienst im Notdienstzentrum Heidelberg. Die Räume wurden durch die KZV angemieteten und durch diese auch mit Geräten, Material und Personal ausgestatteten. Dabei gab der Zahnarzt seine Bereitschaft zu bestimmten Schichten an, die KZV wies ihm dann einen Teil davon nach eigenem Ermessen zu. Die Vergütung lag je nach Schicht zwischen 34 und 50 Euro je Stunde.

Zerwürfnis nach Streit um einzelne Behandlungen

Nach einem Streit um einzelne Behandlungen kam es zum Zerwürfnis. Der Zahnarzt wurde nicht mehr zum Notdienst herangezogen. Vor diesem Hintergrund wollte er nun wissen, ob seine Notdienst-Schichten eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung waren. Daher leitete er ein sogenanntes Statusfeststellungsverfahren ein. Die Rentenversicherung entschied, dass kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis und damit auch keine Sozialversicherungspflicht bestanden.

Rentenversicherung und die beigeladene KZV Baden-Württemberg verwiesen auf eine Klausel des Sozialgesetzbuchs V, wonach der Sicherstellungsauftrag der KVen und KZVen auch den Notdienst umfasst. Auch dort tätige nicht oder nicht mehr zugelassene Ärzte und Zahnärzte nähmen danach an der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung teil. Anders als ein reguläres Arbeitsverhältnis sei daher das Verhältnis von KZV und Poolzahnärzten weitgehend durch öffentlich-rechtliche Normen geprägt.

Individuelle Umstände sind maßgeblich

Doch dies alles steht einer abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nicht entgegen, urteilte das BSG. Maßgeblich seien vielmehr „wie immer die individuellen Umstände des Einzelfalls“. Hier sei der Zahnarzt auf Notfallbehandlungen beschränkt gewesen. Zugewiesene Schichten habe er nicht mehr absagen, sondern nur noch tauschen können.

Er sei nach Stunden bezahlt worden und habe kein unternehmerisches Risiko getragen. „Das Verhältnis von Aufwand und Ertrag“ habe er nicht beeinflussen können. Räumlichkeiten, Personal, Geräte und Material seien von der KZV gestellt worden.

Abhängige Beschäftigung

Dies alles spreche für eine abhängige Beschäftigung, urteilte das BSG. Dem entgegenstehende Umstände, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen, seien nicht ersichtlich. Auch die Besonderheiten des Vertragsarztrechts würden keine andere Entscheidung begründen, so das Gericht.

Bei der Abgrenzung zwischen selbstständiger und abhängiger Tätigkeit geht es nach Auffassung des Gerichtes immer um die konkreten Umstände, „niemals abstrakt um einen ganzen Beruf. Fast jede Tätigkeit sei in abhängiger Beschäftigung oder selbstständig möglich. Hier habe die KZV Baden-Württemberg den Notdienst gestaltet, und das Urteil ergehe daher im Rahmen des von ihr gewählten Modells.

(Die Pressemitteilung des Gerichts kann hier nachgelesen werden)

Richter-Dienstgericht bestätigt die Zulässigkeit der Versetzung eines AfD-Richters in den Ruhestand

Das Dienstgericht des Bundes beim Bundesgerichtshof (BGH) hat am 05.10.2023 entschieden: Der ehemalige AfD-Abgeordnete und Richter Jens Maier darf nicht zurück in die Justiz.

Der Antragsgegner trat im April 1992 in den Justizdienst des Antragstellers ein. Er war seit 1997 bis zum Beginn seiner Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag als gewählter Abgeordneter der Partei „Alternative für Deutschland (AfD)“ (im Folgenden: AfD) am 24. Oktober 2017 als Richter am Landgericht tätig. Nach Beendigung dieser Mitgliedschaft beantragte er die Zurückführung in das frühere Dienstverhältnis. Der Antragsteller übertrug dem Antragsgegner zur Erfüllung dieses Rechtsanspruchs das Amt eines Richters am Amtsgericht. Der Antragsteller hat bei dem Landgericht Leipzig – Dienstgericht beantragt, die Versetzung des Antragsgegners in den Ruhestand für zulässig zu erklären.

Leipziger Dienstgericht: Maier als Richter nicht mehr tragbar

Der Antragsteller ist der Auffassung, der Antragsgegner habe durch seine Mitwirkung im sogenannten Flügel, einer formal aufgelösten und im Sächsischen Verfassungsschutzbericht 2020 als rechtsextremistischer Personenzusammenschluss bezeichneten Gruppierung innerhalb der Partei AfD, sowie durch wiederholte rassistische, antisemitische, nationalistische und geschichtsrevisionistische Äußerungen seine Glaubwürdigkeit als Organ der Rechtspflege und das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit bei der Ausübung des ihm anvertrauten Richteramtes endgültig verloren. Das Dienstgericht hat die Versetzung des Antragsgegners in den Ruhestand für zulässig erklärt. Es lägen Tatsachen vor, aufgrund derer der Antragsgegner in seiner künftigen Rechtsprechung nicht mehr glaubwürdig erscheine und das Vertrauen in seine Unvoreingenommenheit nicht mehr bestehe, so dass gemäß § 31 Nr. 3 DRiG seine Versetzung in den Ruhestand zwingend geboten sei, um eine schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege abzuwenden.

Keine herausgehobene Stellung bei politischer Gruppierung, die Grundlagen des demokratischen Verfassungsstaats ablehnt

Die Revision des Antragsgegners hat beim Dienstgericht des Bundes keinen Erfolg. Das Dienstgericht des Bundes hat in seiner Entscheidung wesentliche Rechtsgrundsätze dazu aufgestellt, unter welchen Voraussetzungen die politische Betätigung eines Richters seine Versetzung gemäß § 31 DRiG im Interesse der Rechtspflege rechtfertigen kann. Danach kommt eine solche Versetzung grundsätzlich in Betracht, wenn der Richter nicht mehr die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintreten wird. Das gilt nicht nur für die Berufung in das Richterverhältnis, sondern ist dauernde Voraussetzung für die Ausübung des Richteramts auf der Grundlage des Grundgesetzes. Auf dem Boden des Grundgesetzes ist unabdingbare Voraussetzung für die Ausübung des Richteramts die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Richters. Tatsachen, die eine Versetzung nach § 31 DRiG rechtfertigen, liegen danach im Falle einer politischen Betätigung des Richters vor, wenn er sich in herausgehobener Stellung bei einer politischen Gruppierung betätigt, die Grundlagen des demokratischen Verfassungsstaats ablehnt. Weiter rechtfertigen Tatsachen eine Versetzung des Richters, wenn er durch sein Auftreten in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, er werde aus politischen Gründen sein künftiges dienstliches Verhalten an seiner persönlichen Einschätzung und nicht mehr allein an den Gesichtspunkten der Sachrichtigkeit, Rechtstreue, Gerechtigkeit, Objektivität und dem Allgemeinwohl ausrichten. Ausgehend hiervon hat das Dienstgericht aus den von ihm festgestellten, vom Antragsgegner stammenden oder ihm zuzurechnenden Äußerungen und Verhaltensweisen im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung rechtsfehlerfrei den Schluss gezogen, dass das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Person und die Amtsführung des Antragsgegners in hohem Maße beeinträchtigt sei und seine weitere rechtsprechende Tätigkeit den Eintritt eines schweren Schadens für das Ansehen der Rechtspflege besorgen lasse, die sein Verbleiben im Richteramt ausschließe.

Auch wegen Äußerungen aus der Zeit, in dem sein Dienstverhältnis als Richter ruhte

Rechtsfehlerfrei maßgeblich berücksichtigt hat das Dienstgericht dabei insbesondere die Eigenschaft des Antragsgegners als Obmann für Sachsen im sogenannten Flügel der AfD, Äußerungen auf Parteiveranstaltungen in Dresden im Januar 2017 und August 2017 und zwei vom offiziellen Twitter-Account des Antragsgegners abgesetzte Tweets. Die Anwendung des § 31 Nr. 3 DRiG ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil einige der vom Antragsteller zur Begründung seines Antrags vorgetragenen und vom Dienstgericht festgestellten Tatsachen in den Zeitraum fielen, in dem der Antragsgegner Mitglied des Deutschen Bundestages war und seine Rechte und Pflichten aus dem Dienstverhältnis als Richter ruhten. Das Dienstgericht hat zudem rechtsfehlerfrei unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf die schärfste Maßnahme der Versetzung des Antragsgegners in den Ruhestand erkannt.

(BGH-Richterdienstgericht, 05.10.2023, Az. RiZ(R) 1/23)

AfD-Eilantrag gegen Einstufung als „gesichert extremistische Bestrebung“ abgelehnt

Das Verwaltungsgericht Köln hat mit Urteil vom 05.10.2023 einen Eilantrag der AfD gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz abgelehnt, der auf die Unterlassung der Einstufung dieser Partei und entsprechende Bekanntgabe als „gesichert extremistische Bestrebung“ gerichtet war. Es gäbe schon keinen Anlass zu der Annahme dass der Verfassungsschutz entsprechende Vorhaben umsetzen wolle, dies könne auch nicht aus Aussagen des Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz zur AfD gefolgert werden.

In den vergangenen Monaten äußerte sich der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz bei verschiedenen Anlässen zur AfD, etwa bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts im Juni 2023 und im Zusammenhang mit der Europawahlversammlung der AfD im Juli und August 2023. Die AfD-Bundespartei beantragte daraufhin beim Oberverwaltungsgericht NRW – wegen des dort anhängigen Berufungsverfahrens – die Unterlassung der Einstufung und Bekanntgabe sowohl als Verdachtsfall als auch als „gesichert extremistische Bestrebung“. Hinsichtlich der befürchteten Einstufung als „gesichert extremistische Bestrebung“ hat sich das Oberverwaltungsgericht für unzuständig erklärt und das Eilverfahren an das Verwaltungsgericht Köln verwiesen. Den verbleibenden Eilantrag auf Unterlassung der Einstufung und Bekanntgabe als Verdachtsfall hatte das Oberverwaltungsgericht schon mit mit Beschluss vom 27.09.2023 abgelehnt (die entsprechende Presse-Mitteilung des Gerichts kann hier nachgelesen werden).

Keine Anhaltspunkte für „Hochstufung“ als „gesichert extremistische Bestrebung“ erkennbar

Den Eilantrag zur befürchteten Einstufung als „gesichert extremistische Bestrebung“ hat das Verwaltungsgericht dann ebenfalls abgelehnt. Es bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die behördeninterne Einstufung der Antragstellerin als Verdachtsfall geändert hat. Die von ihr angeführten Äußerungen des Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz befassen sich weder im Wortlaut noch im Kontext mit einer etwaigen „Hochstufung“ als „gesichert extremistische Bestrebung“. Auch sonst existiert hierzu keine offizielle Mitteilung. Im Gegenteil hat das Bundesamt für Verfassungsschutz zuletzt im Mai 2023 und ebenso im vorliegenden gerichtlichen Verfahren gegenüber der Antragstellerin bekräftigt, dass eine solche „Hochstufung“ derzeit nicht beabsichtigt sei. Gegen den Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde zu, über die das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheiden würde.

(Das Urteil des VG Köln vom 05.10.2023 zum Az. 13 L 1907/23 kann hier nachgelesen werden)